454 Uebersicht der politischen Enswichelung des Jahres 1883.
lichkeit der Richter für drei Monate suspendierte und der Regierung
während dieser Zeit die Vollmacht erteilte, alle mißliebigen monar-
chischen Richter zu entfernen und durch gut republikanisch gesinnte
zu ersetzen. Das Gesetz war freilich eine handgreifliche Willkürlich-
keit, aber die Regierung übertrieb die Maßregel in ihrer Ausführung
wenigstens nicht, so daß der Stachel, den sie immerhin zurücklassen
mußte, nicht allzu tief saß. Auch der Kriegsminister Thibaudin
wollte sich bemerklich machen und brachte nicht weniger als fünf
Gesetzvorlagen zu Ergänzung und Verbesserung der immer noch un-
fertigen Militärorganisation auf einmal ein; erledigt wurde aber
im Jahre 1883 davon nur eine, die am wenigsten bedeutsame be-
treffend die Festungsartillerie.
Wirl- Größere Schwierigkeiten machten der Regierung Ferry die
schat, Finanzen und die wirtschaftlichen Zustände des Landes. Die von
Zuschodeihr in die Hand genommenen Kolonialunternehmungen erforderten
und Fi. Geld und viel Geld, die Steuereingänge nahmen aber von Monat
nanzen. zu Monat sehr empfindlich ab und zugleich ergab es sich, daß auch
die Ausfuhr französischer Fabrikate stetig abnahm, die Einfuhr
fremder, namentlich auch deutscher Fabrikate ebenso stetig zunahm.
Es ließ sich unmöglich mehr leugnen, daß die gesamte Wirtschaft
der Nation entweder schon im Rückgange war, oder doch in einen
gewissen bedenklichen Stillstand geraten sei. Früher hatten die Fran-
zosen wenigstens darin stolz auf die Deutschen herabsehen zu können
gemeint; damit und mit den jährlichen überschüssen im Etat und
den dadurch ermöglichten Steuererlassen und Steuererleichterungen war
es jetzt entschieden vorbei, für das Ende des Jahres stand vielmehr
ein Desizit ganz sicher in Aussicht. Wollte man es vermeiden, so
mußte entweder der Steuerdruck verstärkt oder es mußten Schulden
gemacht oder erheblich gespart werden. Das Kabinet Ferry konnte
sich zu keinem von allen dreien entschließen, erachtete vielmehr alle
drei für unpraktisch. Dann aber blieb nur noch ein Ausweg übrig:
das außerordentliche Budget von den mehreren hundert Millionen,
die nach dem Gesetz Freycinet jährlich auf den Ausbau des fran-
zösischen Eisenbahnsystems verwendet werden mußten, zu entlasten.
Eingestellt konnten diese Bauten jedoch auch nicht werden, nicht
einmal stark beschränkt, weil dies in zahlreiche Privatinteressen ein-
gegriffen, weite Kreise geschädigt und damit gegen die Regierung
erbittert hätte; auch das also war für sie nicht praktisch. Für
praktisch erkannte sie lediglich, die Fortführung dieser Eisenbahn-