Allgemeine Chronik. IX
schreiten. Die beiden Kammern können sich jedoch schließlich nicht
einigen und es kommt kein solches Gesetz zustande.
17. Jan. [Schweden.] Eröffnung des Reichstags. Die Thronrede kündigt
neue Vorlagen betr. Heeres= und Steuerreform an.
18. „Oesterreich-Ungarn: Oesterreich.] Die liberale Minderheit des
Herrenhauses scheidet aus allen Kommissionen aus, wo ihre Thätig-
keit eine ganz nutzlose geworden sei, seit die feudalen Grafen Thun,
Belcredi, Blome ect. die Führung übernommen hätten. Im Plenum
will sie dagegen ihre Opposition wie bisher fortsetzen.
» Ägyten) Der Khedive schafft die bisherige dualistische General-
kontrole durch Dekret in aller Form ab. Frankreich fügt sich unter
Vorbehalt „seiner dadurch wiedergewonnenen Aktionsfreiheit“.
20. „ [Deutsches Reich.] Reichstag: beschließt eigens gelieferte Konverts
für die Reichstagswahlen behufs möglichster Freiheit von aller Wahl-
beeinflussung, obwohl zunächst eine Zunahme sozialdemokratischer Stim-
men wahrscheinlich ist. — Der Autrag Wedell auf prozentuale Be-
steuerung der Börsengeschäfte (s. 7. Dez. 1882) wird nach einläßlicher
Debatte an eine Kommission von 18 Mitglieder gewiesen.
„ [Oesterreich-Ungarn: Oesterreich.] Infolge einer Interpellation des
Abg. Sturm im Reichsrate muß der seit 2 Jahren vom Ausschuß
und seinem polnischen Obmanne absichtlich liegen gebliebene Antrag
Wurmbrand, die deutsche Sprache auedrücklich als Staatssprache an-
zuerkennen, hervorgeholt und in Behandlung genommen werden. Der
Ausschuß spaltet sich dabei mit 12 gegen ' Stimmen in eine Mehr-
heit und eine Minderheit: jene beantragt einfache Tagesordnung, diese
verlangt dagegen ein vom Reichsrat zu erlassendes Gesetz, dar unter
Festhaltung der deutschen Sprache als Staatesprache den Gebrauch
der landesüblichen Sprachen in Amt, Schule und öffentlichem Leben
für alle Kronländer regele.
(Oesterreich-Ungarn: Oesterreich.] Polen und Czechen verstän-
digen sich, gemeinsam auf die Slavisierung Schlesiens hinzuwirken.
21. [Oesterreich-Ungarn: Ungarn.] Tieza spricht sich im Reichstage sehr
energisch gegen eine von den Antisemiten geforderte Revision der Eman-
zipation der Inden aus
22. „Deutsches Reich.) Reichstag: Beratung des Militärelats: Schott
(württ. Volkspartei) und Eugen Richter (Fortschritt) bringen zahl-
reiche Beschwerden gegen das Militär mit Vehemenz und in agila-
torischer Weise vor. Der Kriegsminister v. Kameke läßt sich dadurch
nicht provozieren und antwortet ruhig und rein sachlich. Es scheint,
daß von oben eine scheindigere Antwort gewünscht und erwartet wurde,
und es verbreitet sich sofort das Gerücht, daß er in seiner Stellung
wanke.
Gewerbekommission: beharrt auch in 2. Lesung auf der Einführung
von Arbeitsbüchern für alle Arbeiter. Die Regierung spricht sich ent-
schieden dagegen aus.
24. » (Deutsche es Reich — Oesterreich-Ungarn.] Eisenbahnkonferenz
in Wien. Die österreichischen Bahnen, selbst die Nordwestbahn, scheinen
geneigt, auf die geheimen Refaktien fortan zu verzichten.
„ (Deutsches Reich: Bayern.] Die Zeitschrift des landwirtschaft-
lichen Vereins, anscheinend im Einverständnis mit dem Generalkomité
dieses sehr zahlreichen und einflußreichen Vereins, spricht sich gegen
die Gründung sog. „Bauervereine“" (in agrarischem Interesse und um
die Unzufriedenheit mit dem Bestehenden im Bauernstande zu erzeugen
und zu nähren) aus.