Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

66 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 13—14.) 
gabe betrifft, so scheint Fürst Bismarcks Gedankengang der folgende ge- 
wesen zu sein: Er kann der Landesvertretung nicht obliegen, sich mit der eigent- 
lichen legislativen Facharbeit zu befassen, denn zahlreiche, durch Abstimmung 
zum Beschluß gelangende Versammlungen sind hierzu an sich nicht befähigt. 
man muß sie also nicht mit zeitraubender Delailparagraphenkritik behelligen, 
welche die Sessionen unnütz verlängert und doch nur mangelhaft ausfallen 
kann. Andererseits aber ist durch die Erfahrung bewiesen, daß die aus den 
Ministerien hervorgehenden Gesetzentwürfe keineswegs den Ansprüchen genügen. 
welche man an solche Vorlagen stellen muß und es ist dies auch vollkommen 
begreiflich, da die dringenden Forderungen der Politik und des aktiven 
Dienstes dort gewöhnlich kaum eine allseitige ruhige Prüfung ermöglichen. 
Es thut also ein Organ not, welches die der Landesvertretung vorzulegenden 
Gesetzentwürfe nach Inhalt und Form durcharbeite und nach ihrem Verhält- 
nis zu der übrigen Gesetzgebung sorgfältig prüfe, so daß sie vor die Landes- 
vertretung in einer Gestalt gebracht werden, welche derselben erlaubt, sich 
wesentlich auf die Disfussion der Prinzipienfragen zu beschränken. Auf diese 
Weise würde die Wirksamkeit der Landesvertretung auf ihr eigentliches Feld 
zurückgeführt und die auf das Wesen der Sache konzentrierte Debatte würde 
um so gründlicher und erschöpfender die eigentlichen legislatorischen Schwer- 
punkte des Entwurfs erörtern, teure Zeit würde dem Lande wie den Mit- 
gliedern der Vollsvertretung erspart und letztere der traurigen Notwendigkeit 
überhoben sein, so manche in ihrem Umfange von großen Versammlungen 
schwer zu bewältigende Gesetze ohne eingehende Debatte en bloc anzunehmen. 
Diese Vorbereitung würde als Hauptaufgabe dem neuen Staatsrate zufallen. 
13. Juni. (Deutsches Reich.) Der Kaiser, der sich wieder 
wesentlich besser befindet, geht zur gewohnten Kur nach Ems. 
13. Juni. (Deutsches Reich.) Bundesrat: genehmigt den 
Antrag auf mehrfache Erhöhung des Zolltarifs nach den von Sachsen 
gemachten und von den Ausschüssen genehmigten Vorschlägen. 
Die schutzzöllnerische Strömung tritt im Bundesrat immer stärker 
hervor. 
13. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: Aktiengesetzkom- 
mission: erledigt in 2. Lesung die vorbehaltenen Punkte dahin, daß 
auch bei Kommanditgesellschaften auf Aktien Inhaberaktien zugelassen 
und der Minimalbetrag der Aktien auf 1000 M. ohne Unterschied 
zwischen Namens- und Inhaberaktien und zwischen Aktiengesellschaften 
und Kommanditgesellschaften auf Aktien festgestellt wird. Die Ver- 
treter sämtlicher Fraktionen erklären, daß sie nunmehr bei ihren 
politischen Freunden die Annahme des Entwurfs befürworten wür- 
den. Der Entwurf wird darauf einstimmig angenommen. 
13. Juni. (Deutsches Reich.) Die Kongofrage tritt immer 
mehr in den Vordergrund der öffentlichen Besprechung. Der Reichs- 
kanzler unterhandelt darüber mit den Mächten. 
14. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: Debatte 1. Lesung 
über den Gesetzentwurf betr. die Subventionierung von Dampfer-
	        
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