68 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 14.)
selber in Frage stellen. Der Gesetzentwurf habe einen ähnlichen Grundge-
danken wie seiner Zeit die Samoavorlage. Die Opposition müsse die Ver-
antwortung tragen, wenn auch diese Anregung scheitere.
Ich will auf die materielle Seite der Sache nur soweit eingehen,
als ich es mir überhaupt vorgenommen hatte. Der Herr Abg. Bamberger
hat hier Bezug genommen auf die Erklärung der Hamburger Dampfschiffs-
Rhedereigesellschaft, die, wie er ganz richtig gesagt. ihrerseits mit Verlust
gearbeitet hat, und von der er voraussetzt, daß sie zu den unbedeutenden
Vorarbeiten, die seiner Meinung nach die Regierung überhaupt geliefert hat,
im wesentlichen das Material beschafft habe. Gerade dieser Rechnungsbericht,
das Promemoria, das gegeben ist in Nr. 162 des „Hamburger Korrespon-
denten“, wo es jeder nachlesen und die Schlüsse bestätigt finden kann,
die ich durchaus ziehe, fängt damit an: „Am 1. Juli 1871 konstituirte
sich die deutsche Dampfschiffsrhederei zu Hamburg mit einem Kapital von
500.000 Thalern = 1.500.000 M. Damals, vor ca. 12 Jahren, waren
unsere deutschen Schiffsbauwerften noch wenig im stande, den Bau größerer
eiserner Dampfschiffe samt Maschinen zu einem im Vergleich zu den auf
englischen Werften kuranten Preise und in einigermasen gleichen Lieferungs-
terminen zu übernehmen. Es ist seildem ein Fortschritt gemacht worden,
seit den 12 Jahren, zu aller Befriedigung. Ob und inwieweit dieser Fort-
schritt in Verbindung mit der Gesellschaft zu bringen ist, überlasse ich
eines jeden Ermessen. — Es ist mir immer merkwürdig, daß bei solchen
Gelegenheiten, wie die heulige, ein Teil der Herren vorher überzeugt ist
von der Sache und der Beredsamkeit der Regierung. nicht bedarf, während
ein anderer Teil auch vorher überzeugt ist, daß die ganze Sache fehlerhaft
ist, und daß es der Beredsamkeit der Opposition nicht Bedarf, um die Oppo-
sition zusammenzuhalten. Merkwürdig ist ferner auch, daß die wirtschaft-
liche Überzeugung sich genau so abgrenzt wie die Fraktionen, daß sich selten
in der Fraktion ein Mann findet, der anderer Meinung ist als die Majorität,
daß genau mit der Regierungsfreundlichleit die Übereinstimmung oder Nicht-
übereinstimmung mit den wirtschaftlichen Ansichten der Regierung feststeht
und unerschütterlich fest bleibt. Es läßt mich das fast auf den Schluß
kommen, daß noch andere als wirtschaftliche Erwägungen für diese Über-
zeugung maßgebend sein müssen. Vielleicht würden diejenigen, die augen-
blicklich die Wirtschaftspolitik der Regierung mißbilligen, dieselben Maß-
regeln, die die Regierung ihnen vorschlägt und die Sie heute verwerfen,
ihrerseits selbst ausführen, wenn sie Regierung wären, allerdings dann viel
geschickter und besser vorbereitet. Der Unterschied liegt darin: Sie würden es
selbst machen, Sie lieben die Persönlichkeiten nicht, die gegenwärtig die
Verwaltung leiten. Ich wollte dieser Mangel an Liebe wäre stark geung,
um die Verwaltung von mir zu nehmen, aber leider sind Sie alle nicht so
mächtig, wie ich Ihnen wünsche. Ich wünschte, Sie wären einmal am
Ruder, ich möchte Sie wohl sehen. (Heiterkeit rechts.) — In dem vorher
erwähnten Promemoria heißt es dann weiter: „Mit 4 Schiffen übernahm
diese deutsche Dampfschiffahrtsrhederei im Juni 1873 die Fahrt nach Pinaug,
Singapore, Honkong und Shanghai. Deutschland entbehrte bis dahin jeder
direkten Dampfschiffsverbindung mit jenen Gegenden.“ Ich will Sie nicht
mit weiteren Vorlesungen ermüden und Ihre Zeit und meine nicht ver-
schwenden. Hinterher kommt das Resultat, daß diese Gesellschaft, nachdem
sie ein erhebliches Verlustkonto abgeschrieben hatte, nachdem sie mit Schaden
operiert hatte, schließlich doch elf Seedampfschiffe dauernd auf diesem See-
wege beschäftigte. Das ist die Thätigkeil dieser einen offenbar wenig potenten,
aber strebsamen Gesellschaft. Wenn schon deren Thätigkeit genügend ge-
wesen ist, um in unseren ganzen Rhedereiverhältnissen, in unseren über-