Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 23—26.) 75
Wortes vom „An die Wand drücken der Nationalliberalen“ ab und
desavouiert auch die Antorschaft des Geschäftssteuer-Gesetzentwurfs.
Die streng Konservativen sind von all dem sehr wenig erbaut, die
Ultramontanen noch weniger und die Radikalen am allerwenigsten.
23. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt den Aktien-
Gesetzentwurf fast unverändert nach den Anträgen der Kommission.
Der Mindestbetrag einer Aktie wird dadurch auf 1000 M. normiert.
24. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt den
Militärrelikten-Gesetzentwurf nach den Anträgen der Kommission.
Der Kriegsminister erklärt die Bestimmung, daß unverheiratete Offi-
ziere 3 Prozent ihres Gehalts als Witwenkassenbeitrag zu bezahlen
haben, für unannehmbar. Die Regierungsvorlage wollte sie davon
befreien. Das Gesetz muß also als gescheitert betrachtet werden.
25. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt den
Antrag Ackermann betr. Haltung von Lehrlingen auch in 3. Lesung
mit 154 gegen 150 Stimmen. Das Gesetz enthält indes keinerlei
Strafbestimmungen für Verletzung desselben und wird daher, auch
wenn ihm der Bundesrat seine Zustimmung erteilt, von geringer
Wirkung sein. Die zünftlerisch gesinnten Handwerker betrachten es
ohnehin nur als Abschlagszahlung.
26. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt den
Vertrag mit Korea ohne Debatte. Da derselbe aber mit der Dampfer-
subvention in einer gewissen Verbindung steht, so gibt er zu einer
neuen Debatte über diese und die Kolonialpolitik Anlaß. Radikale
und Ultramontane beharren bei ihrer Verschleppungstaktik und der
Reichskanzler nimmt umsonst wiederholt das Wort gegen diese.
Der Reichskanzler Fürst Bismard: „Wenn Hr. Nickert
den Wunsch ausgesprochen hat, daß ich in authentischer Form wiederholen
möchte, was ich über die Kolonialprojekte und über meine Auslegung der
Vorlage in der Kommission gesagt habe, so glaube ich in letzter Beziehung
mich schon dementsprechend geäußert zu haben. Was die Kolonialfrage im
engern Sinne anlangt, so wiederhole ich die Genesis derselben, wie ich sie
damals angegeben habe. Wir sind zuerst durch die Unternehmung hanseati-
scher Kaufleute, verbunden mit Terrainankäufen, gefolgt von Anträgen auf
Reichsschutz, dazu veranlaßt worden, die Frage, ob wir diesen Reichsschutz
in gewünschtem Maße versprechen können, einer nähern Prüfung zu unter-
ziehen. Ich wiederhole, daß ich gegen Kolonien — ich will sagen nach dem
System, wie die meisten im vorigen Jahrhundert waren, was man jetzt das
französische System nennen könnte — gegen Kolonien, die als Unterlage ein
Stück Land schaffen und dann Auswanderer herbeizuziehen suchen, Beamte
anstellen und Garnisonen errichten, — daß ich meine frühere Abneigung
gegen diese Art von Kolonisation, die für andere Länder nützlich sein mag,
für uns aber nicht ausführbar ist, heute auch noch nicht aufgegeben habe.