Allgemeine Chronik. XV
der Fortschrittspartei. Eugen Richter. Die neue Fraklion wähnt so
die stärkste des Reichstags zu sein und die nationalliberale Partei
entweder zu sich herüberziehen oder an die Wand drücken zu können.
6. März. [Deutsches Reich.] Eröffnung des Reichstags. Thronrede des
Kaisers. Das Präsidium wird durch Akklamation aus einem Kon-
servativen, einem Ultramontanen und einem Fortschrittler (Deutsch-
Freisinnigen) zusammengesetzt.
11. „ [Norwegen.] Der König fügt sich dem Spruche des Reichsgerichts,
entläßt Selmer und ernennt einen der anderen Ministler provisorisch
zum Ministerpräsidenten, jedoch nur unter einer Art Protest.
12. „ [Frankreich: Tongking.] Die Verstärkungen sind angelangt und Bac-
Rinh wird nunmehr genommen. Da aber die schlechte Jahreszeit,
schon vor der Thüre steht, so beschließt General Millot. bis zum
Herbst nicht weiter vorzurücken.
14. „ [Deutsches Reich.] Reichstag: 1. Lesung des (zum dritlenmal vom
Reichskangler umgearbeiteten) Unfallgesetzes. Große Rede des Reichs-
kanzlers.
Mitte. ,, [Frankreich.] Der Kriegsminister Campenon einigt sich mit dem
Herresansschuß der Kammer über die Einführung der dreijährigen
Dienstzeit. Das Einjährig- Freiwilligen-Institut soll ganz abgeschafft
und alle jungen Franzosen sollen 3 Jahre abdienen, auch die Stu-
dierenden, selbst die der Theologie.
18. „ [Aegypten] ist einem Staatsbankerott nahe. Die Regierung macht
eine Art finanziellen Staatsstreichs gegen ihre europäischen Gläubiger.
Die Mächte protestieren.
20. „ (Agypten.] Chartum wird mit Gordon von den Scharen des Mahdi
eingeschlossen. Gordon hält sich jedoch mutig bis Ende des Jahres.
21. ,, [Deutsches Reich.] Reichstag: 1. Lesung des Gesetzentwurfs betr.
Verlängerung des Sozialistengesetzes auf 2 Jahre. Der Reichskanzler
tritt aufs entschiedenste für denselben ein. Die Konservativen, Frei-
konservativen und Nationalliberalen erklären sich einmütig dafür, die
Fortschrittler, Volkspartei und Sozialdemokraten ebenso einmütig da-
gegen; das ultramontane Zentrum behält sich seine Entscheidung aus-
drücklich vor.
22. ,, [Deutsches Reich.] Glänzende Feier des Geburtstags des Kaisers,
der damit sein 88. Lebensjahr antritt.
23. „ [Deutsches Reich.] Die Nationalliberalen ermannen sich und
wollen sich von den Radikalen (Deutsch-Freisinnigen) weder auffangen
noch an die Wand drücken lassen. 42 hervorragende Mitglieder der
Partei treten in Heidelberg zusammen und erlassen eine „Erklärung“,
worin sie eine Reihe von Punkten positiver praktischer Politik den
radikalen Tendenzen gegenübestellen und die grosßen Anklang finden.
25. ,, [Belgien.] Der Hauptbericht der parlamentarischen Schul-Enquete-
Kommission liegt nach fast dreijähriger Arbeit nunmehr vollständig
vor. Derselbe stellt die Machinationen der Ultramontanen gegen das
Schulgesetz ins hellste Licht und erweist sie durch unleugbare That-
sachen. Die Kammer genehmigt ihn mit 70 gegen 53, der Senat
mit 29 gegen 13 Stimmen.
26. ,, [Pforte] muß in ihrem Streit mit dem griechischen Patriarchat
im wessentlichen nachgeben.
27. ,, [Deutsches Reich] Die Regierung erklärt, daß die verbündeten Re-
gierungen die einfache Annahme oder Ablehnung der Verlängerung
des Sozialistengesetzes verlangen und sich auf Amendierungen nicht
einlassen würden.