Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 17. - 19.) 119 
Deckung des Defizits im Budget von 1885 86, zusammen also 
45,324,926 M. im Wege des Kredits flüssig zu machen. 
17. Nov. (Deutsches Reich.) Bundesrat: genehmigt mit 
Mehrheit (die meisten süddeutschen Staaten stimmen dagegen) die 
sog. lex Ackermann (bez. Lehrlinge) und die mit einigen Modifika-- 
tionen vom Reichskanzler wieder eingebrachte Dampfersubventions- 
vorlage, lehnt dagegen die Aufhebung des Expatriierungsgesetzes 
(Antrag Windthorst) neuerdings ab. 
19. Nov. Kongo-Konferenz: Zweite Plenarsitzung der- 
selben unter dem Vorsitze des Grafen Hatzfeldt. Dieser legt den 
ausgearbeiteten Entwurf einer auf die Handelsfreiheit im Kongo- 
becken bezüglichen Erklärung vor, der die vom Fürsten Bismarck in 
seiner Eröffnungsrede nur in allgemeinen Umrissen hervorgehobenen 
Punkte in bestimmt formulierte Anträge kleidet. Der Entwurf wird 
an eine Kommission verwiesen, welche als den Vertretern Deutsch- 
lands, Frankreichs, Englands, der Vereinigten Staaten, Spaniens, 
Belgiens und Portugals besteht und von dem französischen Bot- 
schafter de Courcel präsidiert werden soll. Zunächst wird diese 
Kommission sich darüber einigen müssen, was unter dem Begriff 
des Kongobeckens und der Kongomündungen zu verstehen sei. 
Portugal erklärt, daß seine Regierung vorbereitet sei, das Prinzip 
vollkommener Handelsfreiheit etc. nicht allein längs der ganzen Ausdehnung 
des Kongo, sondern auch in dem Territorium, über welches Poriugal die 
Sonveränetät beansprucht, zwischen Ambriz und dem 5° 12' Breitengrade 
zu acceptieren. Die Stimmung der Konferenz ist aber eine Portugal un- 
günstige und wenig geneigte, seine Ansprüche anzuerkennen. Auch Stanley, 
dessen Urteil wohl die größte Autorität in diesen Dingen verdient, legt fort- 
gesezt das größte Gewicht auf die Nichtanerkennung der Ansprüche Portugals 
auf die afrikanische Küste südlich vom Kongo. Es handelt sich dabei keines- 
wegs ausschließlich um die Mündungen des Stromes selbst, sondern zugleich 
um den ganzen langen Küstenstrich von der Mündung bis zum Kap Frio, 
dem nördlichsten Punkte der deutschen Besitzungen. Stanley erklärt es als 
seine feste Übergeugung, daß die Entwickelung des afrikanischen Handels, an 
der alle Nationen gleichmäßig ein Interesse haben, unterbunden bleiben werde 
und müsse, solange es dem kleinen Portugal gestattet werde, seine bis zum 
Extrem gesteigerten küstenfiskalischen Scherereien an den Eingangspforten zum 
dunkeln Kontinent auszuüben. 
Ein an diesem Tage von der englischen Regierung veröffentlichtes 
Blaubuch gibt die ersten anthentischen Nachrichten von der Vorgeschichte 
der Konferenz. Die Sammlung beginnt mit einer Depesche Granvilles an 
Lord Amthill vom 26 Mai, in welcher jener kurz vor der Aufgebung des 
mit Portugal abgeschlossenen Kongovertrags bei dem Fürsten Bismarck an- 
fragt, ob er einen deutschen Vertreter zu einem zu bildenden internationalen 
Ausschusse zu senden bereit sei, welcher die Zollansprüche der Portugiesen zu 
regeln habe. Diese Zollansprüche sollen, mit Ausnahme für Tabak, Brandy, 
Flinten und Schießpulver, nicht über 10 Prozent auf den Wert hinaus-
	        
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