Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

162 Die Oefslerreichisch-Ungarische Monarchie. (Inni 2—9.) 
geschütztalibers, wo man sich noch immer mit alten Systemen leichteren Ka- 
libers behelsen müsse. Nebenbei wird auch noch zugestanden, daß alle öster- 
reichischen Schisse, bbwohl im Jnlande gebaut, dennoch mehr kosten, als jene 
des Auslandes. Man hofft jedoch, daß es dem nunmehr an die Spiße der 
Marineleitung berufenen, höchst einsicht vglen Fachmann, dem Vigzeadmiral 
v. Sterneck, vorbehallen isi, mit der Zeit die Schäden auszubessern, und daß 
es seiner unermüdlichen Thätigkeit gelingen werde, die österreichische Kriegs- 
flotte auch bezüglich des Schiffs ematerials in einen besseren Zustand zu ver- 
setzen, als dies der Fall i 
2. Zuni. (Oesterreich.) Hauptversammlung des deutschen 
Schulvereins in Graz. Dieselbe gestaltet sich zu einer energischen 
Kundgebung des Deutschtums in Oesterreich, die ohne störenden 
Zwischenfall verläuft. 
Cs haben sich zu der Versammlung nicht weniger als 1360 Delegierte 
mit 19014 Stimmen eingesunden. Der ganze Verein zählt nicht weniger als 
85,000 Mitglieder mit einer Jahreseinnahme von 255.000 Gulden. Der 
Verein umfaßt eben alles, was deutsch ist in Oesterreich; alles, was gegen 
den Ansturm des Slaventum:s reagiert, von der konservativsten Schatlierung 
bis zur radikalsten Nuance, schließt sich diejer organisierten Selbsthilfe an, 
welche der Erhaltung des Teutschtums durch Erhallung der deutschen Schule 
dienen soll. Etwas bedenkliche Demonstrationen konnten von der Vereins- 
leitung nicht ganz ferngehalten werden. Schönerer und die Antisemiten er- 
schienen mit Kornblumen im Knopfloch. Ein Telegierter aus Krems ver- 
langte die Zusammenfassung der dentschen Teile Oesterreichs in Ein Deutsch- 
österreich und das Loslösen der nichtdentschen Provingen. Späler beim 
Festkommers kam es noch schlimmer. Dr. Varenther sagte: Die nationalen 
Vegensätze können nhicht ausgeglichen werden, sie müssen ausgefochten werden. 
Frei oder tot! Das sei die Losung. Uhland müßte heute singen: Auf, 
deutsches Volk in Oesterreich, thu's deinen Brüdern im deutschen Reiche gleich! 
(Stürmischer Applaus.) Redner bringt sein Hoch der gesamten deutschen 
Nation ohne Zwischenschranken. (Beifallsjubel.) 
5. Juni. (Kroatien.) Wiedereröffnung des Landtags, um 
die Debatte über die Veschwerden gegen Ungarn zu Ende zu bringen 
und das Budget zu votieren. 
9. Juni. (Oesterreich.) Die Regierung beschließt, über die 
bedrängle Lage der Zuckerindustrie, namentlich in Böhmen, eine 
umfssende Enquete anzustellen und setzt sich zu diesem Ende hin 
mit den hauptsächlichsten Interessenten in Verbindung. 
9. Juni. (Oesterreich: Niederösterreich.) Mit Rücksicht auf 
die bevorstehenden Landtagswahlen hat sich nach dem Muster des 
oberöslerreichischen auch ein niederösterreichischer Bauernverein kon- 
stitniert. Zum Untlerschied von jenem, dessen Wahlspruch ist „nicht 
liberal, nicht klerikal“, erklärt letzterer, entschieden liberal sein zu 
wollen unter „Festhaltung der christlichen Grundlage des Staats“ 
und „Hochhaltung der Fahne des Deutschtums“. Im übrigen hat 
er gleichfalls auf seinem Programm verschiedene agrarische und 
 
	        
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