Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Die Oesterreichisch-Ungarische Monarcie. (Juni 23—27. 165 
auf recht bedenkliche Seiten hin. Fast ein Viertel aller Wahlkreise hat mit 
dem Abgeordneten auch die Gesinnung geändert, fast ein Viertel aller Abge- 
ordneten sind homines novi, die mitunter die bedentendsten Parlamentarier 
verdrängt haben und die wütende Agitation, die dieses nicht durchweg er- 
frenliche Resultat zu Wege gebracht hat, hat enorme Summen gekostet. Die 
blutigen landesüblichen Exzesse sind weniger bedenklich als die verläßlichen 
Daten gemäß in einem an amerikanische Zustände erinnernden Stile betrie- 
bene Stimmenkauferei; in Pest sollen die Stimmen nach einer Skala von 40 
bis 100 Gulden laxiert worden sein, in einer nordungarischen Stadt wurde 
mit Sparkassebüchlein operiert. Eine Verlängerung der Legislaturperiode, 
eine Verschärfung der Parlamenksgeschäftsordnung, die bisher aus parlamen- 
tarischen Rücksichten auf die lange Bank geschobene Reform der Komitatsver- 
waltung durch Einführung des Beamtenernennungssystems und der Steuerexeku- 
tionsordnung sind unerläßlich, um die halbasiatischen Zustände zu beseitigen. 
23. Juni. (Oesterreich-Ungarn.) Die Frage des Anschlusses 
der türkischen Eisenbahnen scheint endlich einen wesentlichen Schritt 
vorwärts gemacht zu haben. Ein Irade des Sultans ermächtigt 
das Ministerium, dem Varon Hirsch die Ausführung der Anschluß- 
linien zu übertragen und mit demselben über die Abänderung ver- 
schiedener, seiner Vorschläge zu verhandeln. 
3 Irade bezeichnet den Anschlußpunkt für die Eisenbahn von Kon- 
bünntinoe mah Bulgarien noch nicht, sondern überläßt dies dem zwischen 
der türkischen und bulgarischen Regierung zu treffenden Abkommen. Als An- 
schlußpunkt der Eisenbahn von Salonich bestimmt das Jrade den Ort Seleniko in 
der Nähe von Velezo und bestimmt weiter, daß die Eisenbahn von Seleniko über 
Kumanova nach Wranja gehen soll. Es wird angenommen, daß bald eine 
Einigung mit Baron Hirsch zustande komme und der Bau der Auschluß- 
linien spätestens im nächsten Frühjahr in Angriff genommen werden könne. 
Es ist dann noch genügend Zeit vorhanden, um den Bau bis zum 15. Ok- 
tober 1886 vollständig fertig zu stellen. 
24. Juni. (Kroatien.) Landtag: erledigt auch das Budget 
trotz alles Lärms der Partei Starcevic im Sinne der Regierung 
und des Banus. 
25. Juni. (Oesterreich: Istrien.) Landtag: beschließt in der 
Sprachenfrage mit großer Majorität: 
„I. An allen öffentlichen Volk-sschulen in Bezirken gemischter Bevöl- 
kerung, italienisch und flavisch, ist die unwandelbare Regel der Teilung der 
Schule in zwei Sektionen, in eine italienische und in eine slavische, festzu- 
stellen, und bleibt den betreffenden Eltern es vollkommen freigestellt, ihre 
Kinder in die eine oder in die andere Sektion einschreiben zu lassen. 2. Der 
Landesausschuß wird beauftragt. biese Resolulion zur Kennluis der Regie- 
rung zu bringen und, so weit es zur Durchführung derselben notwendig sein 
sollte, in einer oder der andern Schule eine zweite Lehrkraft anzustellen, der 
Landesschulbehörde den erforderlichen Nachtragskredit aus dem Landesvoran- 
schlage zur Deckung der betreffenden Auslagen zu eröffnen“. 
27. Juni. (Oesterreich.) Die Regierung veröffentlicht das 
neue Organisationsstatut für die Staatsbahnen. 
Zu einer Kritik vom polilischen Parteistandpunkte bietet das Statut 
keinen Anlaß, und wie sehr man darauf bedacht war, einen solchen Anlaß
	        
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