Die Oesterreichisch-Ungarische Ranarchie. (Juli Anf. — 6.) 167
frisch polieren und schleisen dürfen; ob der Schlosser Sfen und Bratröhren
zu machen, ob er Hauen und Krampen, ob Huthaken Zu reparieren berechtigt
sei; durch ein Urteil soll entschieden werden, ob die „Reifmeisterichmiede“
auch andere als Neifmesser, ob die chirurgischen Instrumenten,macher" auch
chirurgische, ob die Zeugschmiede überhaupt Messer machen dürfen. Die
Schueider belegen das ganze Plissieren und Tambourieren als „handwerks-
mäßig“ mit Beschlag und wollen es den zahlreichen Frauen, welche sich mit
dieser Hausarbeit ernähren, untersagen. Die Kappenmacher wollen hinter
den Schneidern nicht zurüchbleiben und den Kürschnern nur Pelz= aber keine
Tuchkappen gestatten. Die Tischler wollen den Zimmerleuten auf dem flachen
Lande verbieken für die Lebenden Thüren und Fenuster, für die Toten Särge
zu machen, die Zimmerleute wieder den Tischlern das Legen von Fußböden
untersagen. Die Bürstenbinder wollen von nnn an ihren Kunden: Friseuren,
Anstreichern, Hausierern, Pfragnern wohl das Einkaufen der Bürsten bei
ihnen, aber beileibe nicht das Weiterverkaufen gestatten, und gehen geharnischt
gegen die Kammmacher los, weil letztere die kleinen „Taschenkämme mit
Bürsten“ machen. Noch drastischer ist die Anforderung, daß der Weber,
welcher Schafwolltücher macht, keine Baumwolltücher weben soll, während
doch die meisten „Wiener Tücher" aus Baumwollkette und Schafwollschuß
hergestellt sind. Die Selcher wollen den Wirten nur erlauben, jedem Gaste
eine „Extrawurst zu braten“, aber nicht roh zu verkaufen, und die Zahn-
künstler den Zahnärzten nur gestatten, den Kunden die Zähne zu reißen,
nicht aber auch eingusetzen u. s. w. Wenn eben früher eine Abgrenzung der
verschiedenen Gewerbe schon schwierig war und die Streitigleiten hierüber
nicht ausgingen, so ist dies jetzt, bei der unendlich viel weiter gediehenen
Arbeitsteilung und bei der Vervielfachung der Bedürfnisse und der Gewerbe,
die zu deren Befriedigung dienen, nahezu eine Unmöglichleit.
Auf. Juli. (Ungarn.) Die Regierung hat nunmehr die Pläne
für Regulierung des Eisernen Thores fertiggestellt. Die Kosten sind
auf 10 Mill. Gulden berechnet.
5. Juli. (Oesterreich: Böhmen.) Die Wahlen zur Prager
Handelskammer fallen, wie es gar nicht anders möglich war, zu
Gunsten der Czechen aus. Ein Damm des Deutschtums in Böhmen
erscheint dadurch niedergerissen, wodurch den Czechen 4 Landtags-
und 2 Reichstagsmandate zufallen, welche bisher die Deutschen
besaßen.
6. Juli. (Oesterreich: Mähren.) Das Resultat der Land-
tagswahlen ist folgendes:
Der Landtag besteht aus 100 Mitgliedern. Die beiden Virilstimmen,
die des Kardinal-Fürstergbischofs Fürstenberg und des Bischofs Bauer, fallen
der feudaleklerikalen Partei zu. Von den 98 gewählten Mitgliedern ent-
fallen auf die Gzechen und Klerikalen 23 aus den Landgemeinden, 13 aus
den Städten, und 5 Stimmen des fideikommissarischen GroßgrundbesiWzes, im
ganzen 43 Stimmen. Die versassungstreue Partei zählt 8 Stimmen aus
den Landgemeinden, 23 aus den Städten und 17 aus dem Großgrundbesibe,
im ganzen 48 Stimmen. Die Mittelpartei hat durch das im Großgrund-
besitze abgeschlossene Kompromiß 8 Stimmen erhallen. Keine der Parteien
hat für sich allein die absolute Majorität, welche 51 Stimmen beträgt. Den
Ausschlag gibt die Mittelpartei, d. h. die Regierung. Aus ihr wird auch