Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

178 Die Oefslerreichisch-Ungarische Monarchie. (Sept. 22—29.) 
22. September. (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: Herbst stellt 
namens der deutschen Minorität den Antrag auf nationale Abgren- 
zung der Gerichtsbezirke als ein Mittel zu Herstellung des nationalen 
Friedens. Die czechisch-fendale Mehrheit lehnt den Antrag nicht 
geradezu ab, verweist ihn aber an die Gemeindekommission, was 
denselben Zweck hat. 
23. September. (Kroatien.) Infolge fortkgesetzter Ausschrei- 
tungen wird über Agram eine Art kleinen Belagerungszustandes 
verhängt. 
26. September. (Oesterreich-Ungarn.) Dringt nachgerade 
aufs nachdrücklichste in die Türkei, der Bahnanschlußfrage doch ein- 
mal ein Ende zu machen. 
28. September. (Oesterreich: Böhmen.) 240 Vertrauens- 
männer der Deutschen Böhmens trelen in Prag zusammen und 
stellen einmütig folgende Forderungen auf: 
1) Ansdehnung dee Wahlrechts auf die Fünfguldenmänner. 2) Ver 
zicht auf kostspielige Prachtbaulen aus Landeemilteln. 3) Aildung von GEr 
richtsbezirken aus Gemeinden einer einzigen Nalionalität und nationale Ver- 
waltung. 4) Bildung einer deutschen und einer czechischen Ableilung beim 
Landesschulrat. 5) Gründung eines Zentralvereins dentscher landwirtschaft- 
licher Vereine. (4) Verharren aller Deutschen in Böhmen und Oesterreich in 
geschlossener oppositioneller Stellmg. 
29. September. (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: Der Landes- 
ausschuß bringt demselben eine Wahlreform in Vorschlag, durch dessen 
Verwirklichung eine deutsche Majorität im böhmischen Landtag un- 
möglich gemacht würde. Die czechischen Blätter rechnen bereits aus, 
daß im für die Deutschen günstigsten Falle 126 Cgechen 116 Deut- 
schen, im ungünstigsten aber 155 Czechen nur 87 Deutschen gegen- 
überständen. — Eine Verordnung der Regierung, daß die Flurwächter 
auf ihren Abzeichen im gangen Lande zweisprachige Inschriften tragen 
sollen, führt zu einer gereizten Debatte, indem die Deuischen sich 
gegen die systematisch versuchte Einschmuggelung des czechischen 
Idioms in ihr geschlossenes Sprachgebiet wehren. 
29. September. (Ungarn.) Feierliche Eröffnung des Reichs- 
tags. Thronrede des Königs. 
In der Thronrede fällt am meisten auf, daß sie der Dreikaiser- 
Zusammenkunft in Skiernivice mit keiner Silbe erwähnt, der Passus über 
die auswärtigen Beziehungen also weniger sagt als man erwartet hatte. Es 
erregt geradezu Sensation und zwar in angenehmer Weise, daß die Intimität 
mit dem deutschen Reiche besonders und allein accentuiert worden, worin der 
Beweis dafür erblickt werden will, daß die Entrevne von Skiernivice keine 
tiejer wirkende Verschiebung in den europäischen Verhältnissen hervorgerufen 
habe. Dieser Auffassung entspricht auch der Artikel des Regierungsblattes
	        
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