Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

XXII Allgemeine Chronik. 
 
 
 
 
 
20.  Juni. [Oesterreich-Ungarn: Ungarn.] Allgemeine Wahlen zum Reichstag. 
Die Regierungs -partei erringt neuerdings eine entschiedene Mehrheit 
und Tisza sitzt wieder fest im Sattel. 
,,  „ [Großbritannien.] Unterhaus: genehmigt in 2. Lesung die Reform- 
bill Gladstones mit 256 gegen 130 Stimmen, lehnt dagegen die For- 
derung der Tories, die Neueinteilung der Wahlbezirke in die Bill 
schon einzubeziehen, mit 174 gegen 147 Stimmen ab. 
,,  „ [Serbien.] Die Stupschtina hat die sämtlichen Steuervorlagen der 
Regierung genehmigt. Serbien wird nach und nach ein Staat mit 
europäisch-modernen Einrichtungen. 
21.  „ [Deutsches Reich.] Reichstag: 2. Lesung des Unfallgesetzes und An- 
nahme desselben nach den Anträgen der konservativ-klerikalen Koa- 
lition mit nicht unwesentlichen Modifikationen zu Gunsten der Arbeit- 
geber. 
,,  „ [Holland.] Der Prinz von Oranien t und die Dynastie hat keinen 
männlichen Repräsentanten mehr. Für den Fall des Ablebens des 
Königs wird daher die Krone von Holland an die erst vierjährige 
einzige Tochter des Königs, diejenige des Großherzogtums Luxemburg 
an den depossedierten Herzog von Nassau übergehen. 
,,  ,,  [Montenegro.] Die Besetzung des von der Pforte ihm abge- 
tretenen Gebietes scheitert neuerdings an dem Widerstande der Albanesen. 
23.  „ [Großbritannien.] Die Regierung legt das Abkommen mit Frank- 
reich bez. Agyptens dem Parlament vor. Die Aufnahme ist eine sehr 
ungünstige, doch lehnt das Unterhaus ein Tadelsvotum darüber mit 190 
gegen 148 Stimmen ab. 
,,  „ [Frankreich.] Ausbruch der Cholera in Toulon und bald darauf 
auch in Marseille. 
24.  ,, (Frankreich: Tongting.] Die vorrückenden Franzosen erleiden bei 
Langson eine empfindliche Niederlage durch die Chinesen und müssen 
zurückweichen. In Frankreich erhebt sich darüber großer Lärm und 
soll der Krieg alsbald mit verdoppeltem Nachdruck wieder aufge- 
nommen werden. 
„ ,, [Rußland.] Ermordung eines Gendarmerie-Kapitäns Gidschen in 
Odessa. Plakate bezeichnen dieselbe als eine That des „Exekutiv- 
komitee“. Vom Thäter ist keine Spur da. 
,,  ,, [Pforte.] Ein Irade des Sultans sanktioniert endlich den serbisch- 
türkischen Eisenbahnanschluß. Der Bau selbst steht aber trotzdem noch 
in weitem Felde. 
25.  „ [Dänemark.] Allgemeine Neuwahlen zum Folkething. Das Mi- 
nisterium Estrup verliert 3 weitere Stimmen und zählt nur mehr 
19 Anhänger gegen 74 Linke, 4 Liberale und 4 Sozialisten. Kopen- 
hagen, das bisher ausschließlich konservativ gewählt! hat,) wählt dies- 
mal nur 4 Ministerielle, 2 Liberale und 3 Sozialisten. 
26.  „ [Norwegen.] Broch hat kein Ministerium zustande gebracht und 
der König sieht sich genötigt, sich an Sverdrup, den Führer der Oppo- 
sition zu wenden, der denn auch sofort ein Ministerinm aus seiner 
Partei und unter seinem Vorsitz zustande bringt. Der König hat 
thatsächlich bis auf einige kleine Konzessionen vollständig nachgegeben. 
Die staatsrechtliche Frage bez. des kgl. Veto bleibt freilich in suspenso. 
,,  „ [Schweiz.] Beide Räte der Bundesversammlung haben sich über 
einen neuen autonomen Zolltarif geeinigt. 
27.  „ [Oesterreich-Ungarn: Oesterreich.] Die Regierung erläßt ein neues 
Organisationsstatut für die Staatsbahnen. Die Dezentralisations-
	        
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