286 Frankreich. (Nov. 27.)
grenzen und jedem geben, was ihm zukomme. Das Verhalten des gegen-
wärligen Ministeriums sei durch zwei Voten der Kammer vorgeschrieben
worden, das Ministerium sei einzig der Auregung der Kammer gefolgt. Er
müsse entschieden gegen den Vorwurf, das Land getänicht t haben, prote-
slieren; alles habe sich bei hellem Tageslichte vollzogen. (Widerspruch.) Der
Uüinster Penu sodann zu, daß man von den Ereignissen fortgezogen worden,
habe aber nicht anders sein können bei Ereignissen, die sich in fernen
Nelal zugetragen, wo stets sehr viel Unvorhergesehenes eintreten könne.
„Die Wahrheit über unsere Sitnalion in Tongking ist, daß unsere Truppen
keineswegs wie Gefangene, im Delta eingeschlossen sind, sondern täglich sieg-
reich vordringen. Die militärische Lage in Tongling ist vortrefflich, und die
Hilfsquellen jenes Landes werden sich bei guter Verwaltung weiter entwickeln.
Zuvor muß aber Tongking pacifiziert und der Konflikt mit China durch einen
Vertrag oder modus vivendi beigelegt werdeu.“
Die definitive Eroberung von Tongking und der Krieg mit China
um dasselbe wird von Frankreich als eine Ehrensache angesehen. Aber er
hat schon unverhältnismäßig viel Geld und Blut gekostet und wird noch
viel mehr kosten. wenn es sich schließlich herausstellen sollte, daß er nur
durch einen Zug auf Peking zu Ende geführt werden könne. Der französische
Handel in Tongking ist das Aufheben nicht wert, das davon gemacht wird.
Die Einfuhr des letten Jahres belief sich auf 4,170,000 Fr.; davon kamen
auf Frankreich mit seinen Kolonien nur 829 „000 8 In der ersten Hälfte
des laufenden Jahres belief sich die Einfuhr auf 4,320,000 Fr., von denen
auf französische Waren 1,241,000 Fr. entfallen; von der lebteren Summe
kommen 652,000 Fr., also mehr als die Halste, auf Weine, Spiritnosen
und Tabak für die frangösischen Truppen. JIm letzten Halbjahre kam nach
Haiphong nur 1 Schiff direkt aus Frankreich und 33 aus dem nahen Cochin=
china, während genau ebensoviele jremde, nämlich 33, aus Hongkong kamen.
In den Verhandlungen der Kommission bekennt denn auch der Marineminister
offen, daß Tongking gegenwärtig nicht mehr als 80= bis 100,000 Fr. monat-
lich eintrage, und General Millot Außerte, daß dort kein Boden für Frank-
reichs Handel und Industrie sei. Das ist für die frangösischen Spekulanten,
welche seit Monaten die Regierung mit Gesuchen um Nonzessionen für Tong-
ting überschwemmen, nicht sehr ermutigend, und man begreift Ferrys Ver-
sicherung. daß er eine annehmbare Vermittlung nicht zurückweisen würde.
Indes ist nach seinen eigenen Worten wenig Aussicht dafür vorhanden, daß
eine * Vermittlung angeboten werden würde.
27. November. Skandalaffaire der Frau Glovis Hugues, der
Gattin des Dichters und radikalen Abg. Hugues. Frau Hugues,
wie es scheint unschuldig, für Geld verleumdet und verfolgt von
einem Journalisten niedrigster Sorte und katilinarischer Existenz,
namens Morin, hat deuselben gerichtlich belangt und auch ein Ge-
richtsurleil auf Gefängnis gegen ihn erlangt, aber es war seither
Morin gelungen, immer und immer Fristen zu erwirken, bis Frau
Hugues endlich die Geduld ausgeht und sie beim Verlassen des Ge-
richtszimmers, wo ihm eine neue Frist bewilligt worden war, ihn
durch Nevolverschüsse niederstreckt. Dieselbe wird verhaftet, die öffent-
liche Meinung nimmt jedoch vielfach Partei für die verzweifelte
„Nächerin ihrer Ehre“.