Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

296 Ilalitn. (Febr. 10 20.) 
einführen will. Die Vorlage hat indes eine Stütze fast nur am 
Ministerpräsidenten Depretis, wird dagegen von der Partei der 
Pentarchen lebhaft bekämpft und von der Regierungspartei nur lan 
verteidigt, vielfach preisgegeben und schließlich arg verstümmelt nur 
mit 1.11 gegen 135 Stimmen angenommen. 
Die Frage der Unterrichtsfreiheit ist durch das neue Gesetz unent- 
schieden gelassen. Auf der einen Seite wird sie zwar im allgemeinen durch 
dasselbe statuiert, auf der andern Seite aber die förmliche Abschaffung der 
Bestimmung des Cajatischen Unterrichtsgesetzes von 1859, welche den Uni- 
versitätelehrern die Antastung der „religiöien, moralischen und staatlichen 
Fundamente“ untersagt. abgelehnt. Italien hat viel zu viel Universitäten, 
von denen die meisten diesen Namen gar nicht verdienen und alle zusammen 
sind nicht entfernt das, was wir in Deutschland unter Universitäten verstehen. 
Der Gesetzentwurf geht an den Senat, der aber gleich bei 
der Wahl der Kommission für denselben deutlich an den Tag legt, 
daß er einer eingreifenden Reform auch nicht geneigt ist. 
10. Februgar. Der Minister Genala unterhandelt mit den 
Gesellschaften über Modifikation der Baccarini'schen Vorlage betr. 
überlassung des gesamten Eisenbahnbetriebes an diefelben. 
Der Plau Genalas geht im wesentlichen dahin: Die gesamlen fest- 
ländischen Eisenbahnen werden in zwei Longitudinaluetze eingeteilt, deren 
Betrieb zwei verschiedenen Gesellschaften übertragen wird und neben denen 
die sardinischen und die sizilianischen Linien getrennt betrieben werden. Jede 
Gesellschaft erwirbt vom Staate das vorhandene Malerial, welches der letztere 
in dem zur unnnterbrochenen und lebhasten Forlführung des Betriebes 
notwendigen Zustande überliesert. Den NKonventionen werden Bestimmungen 
über die Fahrpläue und die Tarise einverleibt. Die Bruttoeinnahmen wer- 
den unter die Gesellschaften, die Reserve= und Vergrößerungsfonds und den 
Slaat verteilt. Die dem Eisenbahnbangesetz zufolge zu konstruierenden Er- 
gänzungelinien werden seperaten Betrieb haben, und ihre Konstruktion liegt 
den Gesellschaften ob, welche dafür mindestens 90 Mill. jährlich zu verwenden 
baben. Lese Summen werden durch vom Staate garantierte und amorti- 
sierbare Obligationen beschafft. Die durch das Eisenbahnbaugesetz festge- 
setzten Beiträge der Provinzen und Gemeinden werden durchweg auf die 
Hälfte reduzierl, wogegen die letzteren auf jeden Gewinnanteil verzichten. 
19. Febrnar. In Italien begegnet die Leichenverbrennung 
keinem Widerstande, weder bei den weltlichen Behörden noch bei der 
Geistlichkeit. Die Zahl der Verbrennungen beläuft sich in Mai- 
land bereits auf 271, in Lodi auf 25, in Brescia auf 17, in Cre- 
mona auf 4, in Rom auf 15. Der Marineminister hat sogar das 
Lazarelt zu Spezia mit einem solchen Ofen ausstatten lassen. 
20. Febrnar. Da sich der Papst gegen die Entscheidung des 
Kassationshofes beg. der Güter der Propaganda an alle Regierungen 
gewendet hat, so erläßt der Minister des Auswärtigen an die Ver-
	        
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