Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Gelgien. (Juli 8 22.) 3 
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kehr mit den Gemeinden und Privatpersonen nur dann in vlämischer Sprache 
erfolgen müsse, wenn die Beleiligten dies verlaugt oder selbst in ihren Zu- 
schriften sich dieser Sprache bedient haben. Sie wenden auf diese Art irr- 
tümlich auf die Allgemeinheit der flamändischen Landesrteile die Regel an, 
welche nach Art 2 FSlnur auf den Bezirl von Brüssel anwendbar ist, 
während Art. 1 S 2 des Gesetzer bestimmt, daß in den übrigen flamändischen 
Provinzen die Wcen gleich von vorneherein in der Sprache des Landes 
und ebenso in allen Fällen korrespondieren sollen, wo der Beteiligte nicht 
ausdrücklich den gegenteiligen Wunsch ausgedrückt oder sich nicht selbst der 
französischen Sprache bedient hat. Der letzte Paragraph des Artilels 2 im 
Zusammenhalt mit Art. 1 hat zur Mirkung, daß im ganjzen jlamän- 
dischen Lande, mit Einschluß der Vezirkes von Bruffel, die für 
das. Publikum bestimmten Milteilungen und Kundmachungen in vlamischer 
Sprache allein oder in beiden Sprachen ausgesertigt werden müssen. Im 
übrigen muß daran fesigehalten werden, daß das Gesetz vom 22. Mai 1878 
erlassen worden ist, um die Rechte der Bevöllerungen zu schirmen, 
und nicht im Interesse der Behörden; in allen durch dieses Gesetz 
vorgesehenen Fällen müssen daher die Interessen der Staatebürger obsiegen, 
wenn ein Zweifel in Betreff des Sinnes dieser Bestimmungen emsteht. Ich 
itte Sie, das gegenwärtige Rundschreiben im Verwaltungsorgan Ihrer 
Provinz veröffentlichen Ju lassen und mit der gewissenhaftesten Sorgfalt über 
die vollständige Ausführung des den Gegenstand desselben bildenden Gesetzer 
zu wachen. Sollten trotz Ihrer wachsamen Imervention Beamte des Staates 
in ihrer Provinz es vernachlässigen, das vorerwähnte Gesetz auf das genaneste 
auszuführen, so wollen Sie mir dies zur Kenntnis bringen.“ 
8. Juli. Allgemeine Wahlen zum Senat. Die Liberalen er- 
leiden auch hierbei eine Niederlage: die klerikale Mehrheit im Senat 
beträgt sortan 17 Stimmen; dagegen erleiden die Klerikalen in 
Brüssel eine für die Zukunft bedentfame Schlappe, indem sie im 
ersten Wahlgang es nur zu einer Stichwahl bringen, in dieser aber 
gegen eine Mehrheit von 100 Stimmen unterliegen. Der Verlust 
von Brüssel ist für sie überaus empfindlich. 
22. Juli. Zusammentritt der Kammern. In beiden Kammern 
wird das Präsidium ausschließlich aus Klerikalen zusammengeseht. 
Die Regierung legt ein neues Schulgesetz nach den Wünschen der 
Kirche und einen weiteren Gesetzentwurf betr. Wiederanknüpfung der 
diplomatischen Beziehungen zum hl. Stuhle vor. 
Von dem 1879 mühsam zustande gelommenen Schulgesetz bleibt unter 
der Hand der Klerikalen nur noch wenig übrig. Es bleibt der Grundsatz, 
daß es in jeder Gemeinde des Königreichs wenigsteus eine Gemeindeschule 
geben ninß. Bioher durflen neben diesen öffentlichen Schulen auf Grund 
der verfassungsmäßigen Unterrichtefreiheit auch völlig freie Schulen be- 
stehen. Der neue Entwurf schafft eine dritte Art von Schulen, indem er die 
Gemeinde ermächtigt, anstatt eine öffentliche Schule Zu errichten. eine oder 
mehrere Privatschulen anzuerkennen und zu unterstützen. Darin liegt der 
Kern. Die Privatschulen stehen bekanntlich fast alle unter der Herrschaft 
der Geistlichen, Schulbrüder und Schwestern; wirklich freie Schulen bilden 
eine verschwindend geringe Ausnahme. Unter dem mächtigen Einfluß der 
Geistlichen wird die neue Bestimmung über die Anerkennung und Unter-