344 Holland. (Nov. 5—18.)
unter sich uneinig und konnten dieselbe nicht oder doch nur selten
bethätigen, so daß das gemäßigt konservative Kabinett Heemskerk
sich ohne allzu große Mühe am Ruder erhalten konnte.
Die holländische Legislative (staten genernal) besteht aus weis Kammern,
von deuen die erste :9 Mitglieder, die zweite 86 Mitglieder zählt. Die ersteren
werden durch die Provinzialräte aus den Höchstbesteuerten jeder Provinz, die
Mitglieder der zweiten Kammer dagegen in direkter Wahl gewählt. Allein
wie in der ersten Kammer zumeist die Geldaristokratie vertreten ist, gelangt
auch in der zweiten durch die bestehenden Wahlvorschriften das Volk nur
mangelhaft zur Vertretung. Der Kleinlaufmann und Kleinbauer, die Arbeiter.
sowohl die städtischen wie die ländlichen, besitzen kein Wahlrecht. Das Wahl-
recht haftet an den Staatsstenern und man kann sagen, daß in Holland
überhaupt nur die oberen Zehntansend wählen und auf die Geschicke des
Landes bestimmend einwirken können. Die Kammer wird in geheimer
Abstimmung direkt von den großjährigen 7 23 Jahre alten), je nach den
örtlichen Verhältnissen 26—160 Gulden Stener zahlenden eingesessenen Nieder-
ländern auf vier Jahre gewählt, so daß alle zwei Jahre die Hälfte aus-
scheidet und neu ersetzt werden muß. Dieses Mal hat eine vollständige
Neuwahl stattgefunden, weil in der nächsten Session ein die Verfassungs-
revision betreffender Gesehzentwurf zur Vorlage kommt, zu welchem das Volk
ganz. neue Vertreter und Träger seines Willens zu stellen hat. Unter den
45 Liberalen, die bisher in der Kammer saßen, waren 12 heftige Fort-
schrittler, weiche die Einheit der Partei stets in Frage stellten und eine
Mehrheit, auf der ein liberales Ministerium hätte jußen können, nicht auf-
kommen ließen. Amsterdam, das sieben Vertreter zu wählen hat, stellt dies-
mal lanter gemäßigt Liberale; die Fortschrittler haben überhaupt die Mehr-
zahl ihrer bisherigen Vertreter verloren.
5. November. Neuwahl des Senats. Das Resultat zeigt
26 Liberale und 13 Antiliberale. Der Senat war schon bisher in
seiner Mehrheit liberal; die Liberalen haben aber auch hier einige
Mandate verloren.
17. November. Eröffnung der außerordentlichen Session der
Generalstaaten durch eine Thronrede des Königs. Dieselbe kündigt
einen Gesetzentwurf an, durch welchen die bereits im Prinzip ange-
nommene Verfassungsveränderung betr. einer eventuellen Regentschaft
sanktioniert wird, sowie einen weiteren Gesetzentwurf zur Regelung
der eventuellen Vormundschaft für die kgl. Prinzessin.
18. November. II. Kammer: bestellt ihr Präsidium aus einem
orthodoxen Kalvinisten, einem Ultramontanen und einem Liberalen.
Der Führer der Liberalen, Fransen van den Putte, richtet die Frage
au den Ministerpräsidenten Heems ekerk, ob nach dem Ausfall der letzten
Wahlen in dem Ministerium Veränderungen vorgenommen werden würden.
Der Ministerpräsident erwidert mit einem entschiedenen: Nein! Er sehe
keinen Grund, ein Mitglied einer der Gegenparteien ins Kabinett zu berufen.
und habe deshalb auch niemandem ein Amt angeboten. Nach dieser Er-
klärung wird die Antwort der Kammer auf die Throurede beraten und
genehmigt.