Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

356 Schweden und Norwegen. (Ende Febr. — März 11.) 
Ende Febrnar. (Schweden.) II. Kammer: Beratung des 
Budgets: « 
Die Bauernpartei hat eine Mehrforderung von 55,000 Kronen als 
einmalige außerordentliche Ausgabe für Einführung der elektrischen Be- 
leuchtung im königlichen Schloß, trotz der warmen Fürsprache des Finanz-= 
ministers, mit der überwältigenden Majorität von 137 gegen 51 Stimmen 
abgelehnt. Das Oberhaus nahm dagegen dieselbe an. Gleich unglücklich für 
das Ministerium verliefen in der Kammer die andern Abstimmungen in allen 
Runkten, welche von der Finangkommission beanstaudet worden waren. Man 
sieht, daß es der Bauerupartei voller Ernst mit ihrer Drohung war, den 
Ausgabeetat, soweit dies irgend möglich erscheint, einzuschränken, und da das 
Oberhaus in gewohnter Weise den Wünschen der Regierung ein größeres 
Entgegenkommen zeigt, so dürfte die Anzahl der Fragen, welche durch gemein= 
same Votierung entschieden werden, in diesem Jahre eine bedeutend höhere 
sein als bisher. 
11. März. (Norwegen.) Der König fügt sich dem Spruche 
des Reichsgerichts, indes nur unter einer Art von Protest. Er ent- 
läßt den vom Reichsgericht verurteilten Staatsminister Selmer durch 
folgendes kgl. Handschreiben, „Dictamen“ genannt: 
„In Gemäßheit dessen, was meine Vorgänger in den Jahren 1827 und 
1845 ansgesprochen, wiederhole ich hier aufs bestimmtesle, daß kein Urteil 
des Reichsgerichts als Erklärung in Verfassungsfragen entscheidend angesehen 
werden, noch für mich oder meine Nachfolger einen im geringsten bindenden 
Prözedenzfall abgeben kann. Ich will mich in keiner Beziehung in der 
Frage, künftig wie bisher das Reich mit der ganzen dem Könige nach der 
Veriassung rechtlich zustehenden Befugnis zu regieren, als beschränkt an- 
sehen. In Bezug auf den ersten Punkt des Urteils (Teilnahme der Minister 
an den Kammerverhandlungen) halte ich es für besonders nötig, auszusprechen, 
daß das gefällte Urteil des Reichsgerichts die bisher anerkannte konslitutionelle 
Ordnung, wonach keine Veränderung des Grundgesetzes ohne Genehmigung 
des Königs Geltung bekommen kann, weder aufzuheben noch abzuändern ver- 
mag. Bei meiner Thronbesteigung beschwor ich die Verfassung, so wie sie 
durch eine langjährige Praxis aufgefaßt und durch die Aussprüche der kun— 
digsten Männer wie auch des Storthinges ausgelegt und bestätigt worden, 
aber ich versprach nicht und bin durch meinen Eid verhindert zu versprechen, 
unbedingt jede Verfassungsänderung zu genehmigen, die eine Storthingsmehr= 
zahl beschließen möchte. Dieses wäre nichts weniger gewesen, als ein Verzicht 
auf die staatsrechtliche Stellung, welche der Königsmacht durch die Verfassung 
beigelegt ist, und die aufrecht Zu erhalten und zu schühgen der König von 
Norwegen daher berufen ist. Die dem Unionskönige obliegenden Verpflich- 
tungen fordern dabei mit gebieterischer Notwendigkeil, daß ich die Stellung 
der Staatsmacht behaupte, die allein die zwischen den Reichen bestehende Ver- 
einigung sichern kann. Ich weise jeden einseitigen Angriff auf die Bürg- 
schaften für den Bestand der Union zurück; und eine der wichtigsten dieser 
Bürgschaften liegt in dem unbedingten Genehmigungsrechte des Königs bei 
Verfassungsveränderungen in dem einen Reiche wie im andern. Dem Inhalte 
eines Urteiles, wie dem, das über den Staatsminister Selmer gejällt wor- 
den, meine Genehmigung erteilen, hieße mich und das norwegische Volk mit- 
verantwortlich machen in dem Urteile und in dessen Folgen für das Land 
und für die Union. Es ist bekannt, daß in die Anordnung des Prozesses 
und in die Zusammensetzung der Nichlerstühle eingegriffen worden ist auf
	        
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