Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Serhien. (Juli 10 Mitte Sopt.) 389 
Es ist eine vollständige Revolution von Oben, die Serbien durchmacht. Milan 
beharrt darauf, der Neformator, der Regenerator Serbiens zu werden, dem 
Lande durchaus moderne Institutionen zu geben, deren Muster er fast aus 
nahmslos O Lesterreich entlehnt. Serbien in die Reihe der Kulturstaaten ein- 
Zuführen. Daß dabei mit der Geichichte und Tradition des am Alten hän- 
genden, stets frei dahinlebenden Volles oft nicht sanft umgegangen wird, ist 
ebenso selbstverständlich, wie daß manche an sich vielleicht, schone Einrichtung 
dem Bedürfnisse des Polizei= und Rechlestnater zum Oyfer fallt. Die Art 
des Reformers hat anch an die Wurzeln der serbischen Freiheiten gegriffen. 
Sie hat die absolute freie Selbstverwaltung der serbischen Gemeinde vollig 
beseitigt: der serbischen Gemeinde sind die Rechte der Stenerumlage und 
Steuererhebung genommen und dem Staate übertragen, die niedere Gerichle- 
barkeit in Bagatellsachen ist den Orlovorstehern und ihren Beisiyxern genom- 
men, den Gerichten ingewiesen. die Befugnisse der Gemeindevorstände sind 
anf ein geringes Maß eingeschrault worden. Serbien hat sich gefügt und 
die Skupschtina hat alle Vorlagen der Negierung mit einer ans Fabelhafte 
grenzenden Naschheit bewilligt. Nur die Steuerreform. die, wie überall in 
der Welt, auch gleich eine Erhöhung bedentet, schien Schwierigkeiten bereiten 
zu wollen — da erschien der Streit mit Bulgarien und die seindfelige Note 
der dorligen Regierung und der Widerstand gegen die Steuergesetze war sosfort 
gebrochen. Bis 187.1 lebte dies glückliche Land, ohne zu wisien, was Schulden 
sind. Erst der Krieg mit der Türlei von 187 brachte dem in Unschuld 
dahinlebenden Volke diese Kenntnis. Jetzt hal es einen zweiten Krieg. hinter 
sich (den von 1878), hat ein siehendes Heer organisiert, nen bewassnet und 
auf die doppelte Stärle gebracht und mit der Erhöhnng des Fürstentums 
zum Königreiche die Zivilliste wesentlich erhöhl. Kein Munder, daß das 
serbische Andget sich von Jahr zu Jahr sehr steigerte. Die Ausgaben, welche 
im Jahre 1881 elwas mehr als 2., Mill. betrugen, stiegrn nacheinander auf 
2, 31, 37 Mill. und machen im jetzigen Budget 46 Mill. Immerhin wird 
mit der nenen Anleihe von 2, Mill. Fr. die serbische Slaatsschuld wenig 
mehr als 150 Mill. betragen. von denen 100 Mill. in den Eisenbahnen 
ihre Deckung und Sicherheit sinden. 
10. Juli. Der König wird vom Kaiser von Oesterreich zu 
den bevorstehenden großen Manövern eingeladen und nimmt die 
Einladung an. 
28. Juli. Der serbische Patriarch von Ungarn, Angyelic, be- 
suchi Belgrad und wird mit Aufmerksamkeiten überhäuft. Der König 
gibt ihm zu Ehren ein Galadiner, bei dem er folgenden Toast 
ausbringt: 
„Von Frende erfüllt, daß ich in Eurer Heiligkeil einen Großwürden- 
träger der freundschaftlichen und nachbarlichen Monarchie erblicke, welcher 
gegenüber ich Gejühle der Freundschaft ebenso hege, wie in der Tiese meiner 
Seele Gefühle der Dankbarkeit für die erhabene Person Ihres Kaisers und 
Königs lebendig find, erjülle ich eine angenehme, Pflicht, indem ich Eure 
Heiligleit auf serbischem Boden willkommen heiße.“ 
30.—31. August. Der König empfängt in Belgrad den Be- 
such des rumänischen Königspaars. 
Mitte September. Der vertriebene Metropolit Michael, der
	        
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