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in England einzuverleiben, für die dortigen deutschen Häuser aller-
dings eine Lebensfrage. Auf das Andrängen ihrer Vertreter ent-
schließt sich Dr. Nachtigal, obwohl diese Erwerbung nicht vorge-
sehen, am 15. Juli zu Bagida mit den Häuptlingen einen Ver-
trag abguschließen, durch welchen der begzügliche Küstenstrich unter
deutsche Schutzherrschaft gestellt wird. Die in der Biafra-Bay
vorbereiteten Erwerbungen wickeln sich ohne Schwierigkeiten ab.
Auch hier handelte es sich nicht um Monate, sondern um Tage,
ja Stunden, und englische Agenten wären dem Auftrage des deut-
schen Generalkonsuls zuvorgekommen. Den Schluß des Heftes
bildet die Aufzeichnung über eine Unterredung, welche der Reichs-
kanzler am 25. September in Friedrichsruh mit den Inhabern
der im Biafragebiete angesiedelten Hamburger Firmen gepflogen
hat. Bekanntlich hatte Fürst Bismarck in der oft erwähnten
Kommissionssitzung des Reichstags den Gedanken ausgesprochen,
bei den in Aussicht stehenden überseeischen Erwerbungen Deutsch-
lands werde der Neichshaushalts-Etat kaum in Anspruch genommen.
Er nehme an, daß deutsche Gesellschaften zu Handels= und Plan-
tagenzwecken sich bilden würden, welchen ein kaiserlicher Freibrief,
ähnlich dem englischen Royal Charter, zur Ausübung der terri-
torialen Hoheitsrechte verliehen werden könne. Die Hamburger
Kaufherren hatten begreiflicherweise Bedenken, solches Anerbieten,
das nicht nur eine Vereinigung aller Häuser voraussetzte, sondern
durch unberechenbare Kosten ihre Rente auf Jahre schwächen, ja
völlig bedrohen konnte, anzunehmen. Sie befürworteten daher die
Ernennung eines deutschen Gouverneurs. Für die Europäer sei
deutsches Recht einzuführen. Als Berufungsstelle werde das han-
seatische Oberlandesgericht dienen können. Ein Nat aus den Ver-
tretern der in Kamerun arbeitenden Firmen unter Hinzugiehung
zweier englischen Kaufleute, eines Missionars und zweier Häupt-
linge solle dem Gouverneur zur Seite stehen. Derselbe solle na-
mentlich auch über die Aufbringung der für die Regierung und
Verwaltung des Landes erforderlichen Mittel beschließen, die durch
einen mäßigen Ausgangszoll auf die zur Ausfuhr gelangenden
Produkte ohne Schwierigkeit zu beschaffen sein würden. Für den
Verkehr mit der Reichsregierung sei in Hamburg ein Syndikat
zu errichten. Der häufige Besuch oder die Stationierung von
deutschen Kriegsschiffen in den betreffenden Küstenstrichen sei sehr
erwünscht.
Aus den Darlegungen der hanseatischen Handelskammern
und namentlich der hamburgischen geht klar und deutlich hervor,
daß von Hamburg die ersten Anregungen zur neuen „deutschen
Kolonialpolitik“ ausgegangen sind. Unter dem Einflusse der an