Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

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der westafrikanischen Küste etablierten Hamburger Firmen hat die 
Hamburger Handelskammer Vorschläge gemacht, welche weit über 
das hinausgehen, was der Reichslanzler in der vielbesprochenen 
Sitzung des Reichstags vom 27. Juni 188“1 als das kolonialpolitische 
Programm der deutschen Reichsregierung dargelegt hat. Der Reichs- 
kangler hat namentlich zwei Forderungen beanstandet: die Errich- 
tung einer Flottenstation auf der spanischen Insel Fernando Po 
(Kamerun gegenüber) und die Erwerbung der Biafra-Bay von 
Neichswegen zur Gründung einer Handelskolonie. Bei einer Be- 
sprechung, welche die Handelskammer mit den Vertretern der in 
Westafrika ekablierten OHandlungshäufer abgehalten hat, wurde von 
diesen nachgewiesen, zunächst daß der deutsche Gandel an der west- 
afrikanischen Küste des materiellen Schutzes durch Entsendung von 
Kriegsschiffen bedürse, dann, daß dieser Schutz nicht gewährt werde 
durch das gelegentliche Erscheinen eines Kriegsschiffes an der Küste, 
sondern durch die beständige Anwesenheit von Kriegsschiffen, damit 
diese erforderlichenfalls um Hülfe gegen die Eingebornen angegangen 
werden könnten. Dieser Schutz endlich sei undurchführbar, wenn 
das Reich sich nicht entschließe, eine Flottenstation in dortiger 
Gegend zu erwerben, und zwar durch Ankauf der Insel Fernando 
Po. Da aber, sobald Deutschland diese Flottenstation erworben 
hätte, nicht aber gleichzeitig die gegenüberliegende Küste, diese 
sofort von anderen Nationen besetzt werden würde, so befürworteten 
die Hamburger Firmen die möglichst schleunige Annexion von 
Kamerun, die zudem unerläßlich sei, wenn Deutschland dauernd 
einen größeren praktischen Vorteil aus Afrika ziehen wolle. Offen- 
bar ist der Reichskangler vor den großen finanziellen Opfern und 
den politischen Konsequenzen, welche die Ausführung dieses Pro- 
jektes nach sich ziehen würde, zurückgeschreckt. Das Reich sollte 
Kamerun nicht erwerben, sondern nur den Schutz der von den 
Deutschen durch Verträge mit den Negern erworbenen Handels- 
kolonie übernehmen und vor allem keine Flottenstation ankaufen. 
Gleichwohl hat der Reichskangler diesen Standpunkt nicht in allen 
Punkten festhalten können, wie schon daraus hervorgeht, daß in 
Kamernn ein „Gonverneur“ eingesetzt werden soll, der im Namen 
des Kaisers für die äußere Sicherheit der Kolonie Sorge tragen 
und Recht sprechen soll. Die innere Verwaltung der Kolonie soll 
den Firmen überlassen bleiben. Staatsrechtlich ist dieses Verhält- 
nis durchaus unklar. Und überdies ist vorauszusehen, daß die 
im Kamerun-Gebiet ansässigen Firmen auf eine Klärung des Ver- 
hältnisses im Sinne ihrer, von der Hamburger Handelskammer 
befürworteten Vorschläge hindrängen werden. Wie schnell oder 
wie langsam sich dieser Prozeß vollziehen wird, ist nicht zu über-
	        
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