EEIILIIIIIIIIIIIIIIIIIILIIIIIII 421
der westafrikanischen Küste etablierten Hamburger Firmen hat die
Hamburger Handelskammer Vorschläge gemacht, welche weit über
das hinausgehen, was der Reichslanzler in der vielbesprochenen
Sitzung des Reichstags vom 27. Juni 188“1 als das kolonialpolitische
Programm der deutschen Reichsregierung dargelegt hat. Der Reichs-
kangler hat namentlich zwei Forderungen beanstandet: die Errich-
tung einer Flottenstation auf der spanischen Insel Fernando Po
(Kamerun gegenüber) und die Erwerbung der Biafra-Bay von
Neichswegen zur Gründung einer Handelskolonie. Bei einer Be-
sprechung, welche die Handelskammer mit den Vertretern der in
Westafrika ekablierten OHandlungshäufer abgehalten hat, wurde von
diesen nachgewiesen, zunächst daß der deutsche Gandel an der west-
afrikanischen Küste des materiellen Schutzes durch Entsendung von
Kriegsschiffen bedürse, dann, daß dieser Schutz nicht gewährt werde
durch das gelegentliche Erscheinen eines Kriegsschiffes an der Küste,
sondern durch die beständige Anwesenheit von Kriegsschiffen, damit
diese erforderlichenfalls um Hülfe gegen die Eingebornen angegangen
werden könnten. Dieser Schutz endlich sei undurchführbar, wenn
das Reich sich nicht entschließe, eine Flottenstation in dortiger
Gegend zu erwerben, und zwar durch Ankauf der Insel Fernando
Po. Da aber, sobald Deutschland diese Flottenstation erworben
hätte, nicht aber gleichzeitig die gegenüberliegende Küste, diese
sofort von anderen Nationen besetzt werden würde, so befürworteten
die Hamburger Firmen die möglichst schleunige Annexion von
Kamerun, die zudem unerläßlich sei, wenn Deutschland dauernd
einen größeren praktischen Vorteil aus Afrika ziehen wolle. Offen-
bar ist der Reichskangler vor den großen finanziellen Opfern und
den politischen Konsequenzen, welche die Ausführung dieses Pro-
jektes nach sich ziehen würde, zurückgeschreckt. Das Reich sollte
Kamerun nicht erwerben, sondern nur den Schutz der von den
Deutschen durch Verträge mit den Negern erworbenen Handels-
kolonie übernehmen und vor allem keine Flottenstation ankaufen.
Gleichwohl hat der Reichskangler diesen Standpunkt nicht in allen
Punkten festhalten können, wie schon daraus hervorgeht, daß in
Kamernn ein „Gonverneur“ eingesetzt werden soll, der im Namen
des Kaisers für die äußere Sicherheit der Kolonie Sorge tragen
und Recht sprechen soll. Die innere Verwaltung der Kolonie soll
den Firmen überlassen bleiben. Staatsrechtlich ist dieses Verhält-
nis durchaus unklar. Und überdies ist vorauszusehen, daß die
im Kamerun-Gebiet ansässigen Firmen auf eine Klärung des Ver-
hältnisses im Sinne ihrer, von der Hamburger Handelskammer
befürworteten Vorschläge hindrängen werden. Wie schnell oder
wie langsam sich dieser Prozeß vollziehen wird, ist nicht zu über-