Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Die deulsche Kolonialpolilik nach den offiziellen Weihbüchern. 435 
nach dem Hauptorte des Distrikts Criby. In beiden Gebieten wurde unter 
enthusiastischer Beteiligung der Eingebornen die Proklamation der Oberhobeit 
Sr. Maj. des Kaisers vollzogen.. Am BlI. Juli stiegen wir ans Land 
und fanden sämtliche Awuni= Vertreter bereits versammelt, unserer Ankunst 
harrend. Da wir in Erjahrung gebracht hatten, daß auch für diesen Distrikt 
bereits ein französischer Vertrag bestände, so ließen wir uns angelegen sein, 
denselben ausfindig zu machen. Es stellte sich auch bald heraus, daß ein 
älterer Bruder des jetigen Oberhäuptlinge, namens Nyondo, im Dezember 
v. J. nach Gabun gereist war, um eine Hauptfaktorei und eine Missions- 
station zu erbitten, und daß er mit einem Vertrage zurückgekommen war, 
von dem weder sein Bruder noch die übrigen Häuptlinge und Altesten 
Kenntnis erhalten hatten. Tiesen hatte er nur einige andere Papiere, durch 
welche ihm die Errichtung einer Missionsstation und einer Faktorei zugesagt 
wurde, gezeigt. Durch den Vertrag, den Nyondo mit dem damaligen Kom- 
mandanten von Gabun abgeschlossen hatte, wurde in der That der Distrikt 
Awuni der Souveräuctät Frankreichs unterstellt. Die versammelten Ver- 
treter des Distrikts protestierten lebhaft gegen ein Abkommen, zu dem sie 
keinerlei Auftrag erteilt hatten, und bestritten dem Nyondo jedes Recht, in 
ihrem Namen irgend etwas abzumachen, ein Recht, welches der letztere, der 
anwesend war, auch gar nicht in Anspruch zu nehmen schien. Meine Er- 
hebungen über die inneren politischen Verhältnisse des Distrilts ergaben 
folgendes: Der vorige Oberhäuptling Ring Malunga hinterließ fünf Söhne, 
der vierte Sohn Boté wurde allgemein als Oberhaupt anerkannt. Terselbe 
erfreut sich als solcher noch heute eines unbestrittenen Ansehens. Diese Aus- 
kunft wurde uns nicht allein von den Stammesältesten, sondern auch von 
den Brüdern Bots gegeben. Immerhin war Nyondo der älteste Sohn des 
verstorbenen Häuptlinge gewesen, und hatte der französische Oberkommandant 
von Gabun den Vertrag mit demselben in gutem Glanben abgeschlossen. Ich 
begnügte mich infolgedessen damit, den Vertrag zwischen der Firma C. Woer 
mann und King Boté und seinen Häuptlingen durch den kaiserlichen Konsul 
Guil Schulze beglaubigen zu lassen, und verzichtete einstweilen auf den Akt 
des Flaggenhissens, indem ich mir vorbehielt, die Rechte der deutschen Firma 
dem gegenwärtigen Oberkommandanten von Gabun und dem Vertrage jeines 
Vorgängers gegenüber zur Geltung zu bringen. Noch am Nachmiltag des 
31. Juli begaben wir uns zurück nach Batta, wo wir alsbald einen weiteren 
Boten zu den nördlich von der Battagegend wohnenden Otonde-Leuten ab- 
schickten, da Hr. Schulze sich mittlerweile entschlossen hatte, ihnen bezüglich 
einer von ihnen gewünschten Faktorei cinige Konzessionen zu machen, im 
Falle sie noch keinen Bertrag mit den Frangosen abgeschlossen hätten. Da 
aber am nächsten Morgen weder unser Bote, noch Vertreter der Okonde- 
Leute angekommen waren, so glaubte ich zunächst nicht länger zögern zu 
dürfen mit der Ordnung der viel wichtigeren Verhältnisse am Benita-Flusse 
und ließ für eine Vereinbarung mit jenen die nötigen Anweisungen in Batta 
zurück. Am 1. August begaben wir uns nach dem Benila- Fluß, auf dessen 
Südufer, nahe dem Jokopoint, die Faktorei von C. Woermann liegt und 
nicht weit davon nach Süden auf dem Mbinipoint die französische Flagge 
weht. Der von dem Agenten des Hrnu. Schulge im Oktober des verflossenen 
Jahres im Namen der Firma C. Woermann abgeschlossene Kaufvertrag be- 
trifft das Land zu beiden Seiten des Flusses, vier Meilen landeinwärts, 
bis zu den etwa 15 Seemeilen stromaufwärts gelegenen Wasserfällen. Alle 
auf der Nordseile des Flusses gelegenen Ortschaften hatten durch ihre be- 
rechtigten Verkreter den Kontrakt unterzeichnet, während auf der Südfeite 
in der Nähe des Flusses sich nur fehr wenige Orkschaften befinden, als deren 
legitimer Vertreter der Häuplling Old Bobala angesehen werden dürfte. 
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