Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

16 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 29.) 
(nat.-lib.) entgegnet, die Grundsätze der Nationalliberalen seien bekannt; die 
Partei wolle gern zum Frieden beitragen, aber es müßten Anträge gestellt 
werden, welche ein Zusammengehen mit der Regierung und den Konservativen 
gestatteten; vorderhand sei ein Zusammengehen unmöglich. 
29. Jannar. (Bayern.) II. Kammer: Beginn der Beratung 
des Kultusetats. Von den Ultramontanen wird namentlich die Hal- 
tung der Regierung gegenüber den Altkatholiken, von den Liberalen 
ihre Haltung in der Simultanschulfrage angegriffen. 
Der Referent Dr. Rittler (ultram.) konstatiert in den einleitenden 
Worten, daß bei den Verhandlungen des Finanzausschusses von der liberalen 
Minorität das teilweise Entgegenkommen, welches die Regierung der konserva- 
tiven Mehrheit des Landes gegenüber zeigte, als das Äußerste bezeichnet wurde, 
was geschehen konnte und geschehen durfte, während die Mehrheit darin erst 
den Anfang einer besseren Gestaltung der staatlichen Verhältnisse erblicken zu 
können glaubte und spricht den lebhaften Wunsch aus, es möge die Staats- 
regierung auf diesem Wege vorwärts schreiten und den konservativen Interessen 
des Landes noch mehr Rechnung tragen als bisher. Gabler (ultram.) er- 
hebt Protest gegen die alljährlichen Reisen des altkath. Bischofs Reinkens. 
Er verlangt, daß dieser exkommunizierte, ehemals katholische Priester, der sich 
Bischof nenne, der das bayerische Indigenat nicht besitzt, in die durch § 14 
des Konkordats gewährleisteten Rechte der bayerischen Bischöfe eingreife, da- 
zu die katholische Kirche beschimpfe und der mit Zustimmung der Staats- 
regierung die geistlichen Handlungen vornehme, das nächste Mal über die 
Grenze gewiesen werde. Dr. Orterer (ultram.) vermag in dem behaupteten 
Entgegenkommen der Staateregierung eigentliche Konzessionen nicht zu er- 
blicken, und wünscht, daß der konservative Hauch in Bayern zu einem ge- 
waltigen Wehen werde, der die Liberalen aus allen Positionen zurückdränge. 
Dr. v. Schantz (lib.) bespricht die neue Simultanschulverordnung. welche 
insbesondere hinsichtlich des Einflusses der Kirchenbehörde eine Bestimmung 
enthalte, die mit der Verordnung von 1873 in Widerspruch stehe. Die 
Linke fordere aber, daß die Verordnung nach eben denselben Grundsätzen ge- 
handhabt werde, welche sie in der Sitzung vom 4. November 1881 bezeichnete. 
Sie rufe der kgl. Staatsregierung zu: Bis hierher und nicht weiter. Der 
Referent betone so sehr das „christlich-konservativ“; es möge die Rechte aber 
doch nicht sagen, daß sie nur aus Konservativen zusammengesetzt sei. Wir 
nehmen auf dieser Seite des Hauses auch in Anspruch, daß wir konservativ 
sind und das hauptsächlich gegenüber Zuständen, welche im Widerspruch mit 
dem Religionsedikt stehen. Da sind wir wahrhaft konservativ. Wir wollen 
die Toleranz und die Freiheit der einzelnen Kirchengesellschaften. Wohin wir 
mit Ihrer Toleranz kommen, das haben wir von den Abgg. Gabler und 
Orterer gehört. Wenn Sie zur Herrschaft kommen sollten, dann wäre es 
aus mit der Freiheit im Lande, und deshalb sind wir konservativ und wollen 
erhalten, was uns ein großer bayerischer König gab. (Lebhafter Beifall.) 
Minister v. Lutz erwidert zunächst bezüglich des Altkatholizismus in ein- 
gehender Darlegung, daß die Staatsregierung noch auf demselben Stand- 
punkte stehe wie früher. Die Staatsregierung sei nicht berechtigt und ver- 
pflichtet, der katholischen Kirche den weltlichen Arm zu leihen gegen die Alt- 
katholiken, weil das neue Kirchengesetz, das den Grund zur Scheidung gab, 
in Bayern in Anbetracht des Placet nicht vollzogen werden darf. Bischof 
Reinkens habe um die Erlaubnis zur Ausübung geistlicher Amtshandlungen 
in Bayern nicht nachgesucht; und er konnte darum nicht nachsuchen, weil die 
Staatsregierung nicht die Befugnis hat, eine solche Erlaubnis zu erteilen. 
 
	        
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