Nebersicht der politischen Eulwickelung des Jahres 1884. 521
Zustand, der nach unseren modernen Begriffen nicht wohl anders
denn als ein ganz absurder bezeichnet werden kann. Der Bogen
wurde von den Ultramontanen in der That so gespannt und über-
spannt, daß eine gewisse Neaktion noch im Jahre 1884 eintrat.
Die meisten großen und größeren Städte, die bei den entscheidenden
Wahlen dem oppositionellen Sturme auch ihrerseits nicht zu wider-
stehen vermocht hatten, besannen sich, kehrten bei den Gemeinde-
wahlen rasch wieder zur liberalen Fahne zurück und begannen dem
neuen Regimente vereinigt energische Opposition zu machen. Die
Folge davon war, daß die ärgsten Hitzköpfe der Regierung, Malon,
Woeste und Jacobs zurücktreten und etwas gemäßigteren Elementen
Platz machen mußten. Viel war aber damit nicht gewonnen: das
Ziel blieb genau dasselbe, nur die Form wurde etwas gemildert.
Auf die Dauer ist ein derartiges Regiment doch, darüber darf man
ruhig sein, in unserer Zeit ganz und gar unmöglich; aber in Belgien
kann es doch noch längere Zeit vorhalten. Und das ist vielleicht
sogar ganz gut: die Welt muß wissen, was die Ultramontanen
wollen und welche Zustände sie herbeizuführen sich bemühen.
Wenn auch nur kurz berührt, so darf die demokratische Agi= Ddie
tation, welche die drei fkandinavischen Staaten, Dänemark, Nor- stne
wegen und Schweden ergriffen hat, nicht ganz unerwähnt bleiben. schen
In Norwegen hat der König Oskar sein Haupt im Jahre 1884 S
vor ihr beugen und ein Ministerium Sverdrup ans Ruder rufen
müssen. In Dänemark wehrt sich der König zwar noch energisch
gegen einen ähnlichen Schritt, aber von Jahr zu Jahr mit ge-
minderten Kräften, so daß ein ähnlicher Ausgang des Kampfes wie
in Norwegen kaum noch allgulange zu vermeiden sein wird. Nur
in Schweden ist die Demokratie noch in ihren Anfängen und noch
ziemlich schwach; aber auch dort scheint sie, freilich nur langsam,
zu erstarken.
Auf der Valkanhalbinfel blieb der Friede während des ganzen Valtan=
Jahres ungestört, von kleinen Differenzen abgesehen, aufrechterhalten.
Für Serbien ergriff der König Milan die kluge Politik, sich eng,
an Oesterreich anguschließen und ließ sich durch nichts davon ab-
wendig machen. Mit Recht erkannte er darin das beste und zu-
gleich einzige Mittel, sein noch halb barbarisches Land europäischen
Einrichtungen und der modernen Kultur allmählich zugänglich zu
machen. Auch Rumänien würde am besten thun, sich an Oester= Rumä.
reich anzulehnen und mit demselben auf möglichst gutem Fuße zu nien.
Serbien.