Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 1—5.) 45
1. April. (Deutsches Reich.) Der auf diesen Tag ange-
ordnete Garnisonswechsel bringt der Ostgrenze wohl einige nicht ganz
unerhebliche Verstärkungen, entspricht aber doch bei weilem nicht den
noch im Herbst v. J. gehegten Erwartungen. Man erkennt darin
das inzwischen eingetretene bessere Verhältnis zu Rußland. — Zwei
der aus dem Elsaß rekrutierten Regimenter befinden sich vom 1.
April ab bereits dem 15. deutschen Armeekorps zugeteilt.
2. April. (Deutsches Reich.) Schluß des 12. deutschen
Handelstages in Berlin. Derselbe hat sich trotz aller Bemühungen
der Regierungskommission und trotz einiger Ermäßigung in der
Form, doch sehr bestimmt gegen die von der Regierung betriebene
neue Aktiengesetzgebung und sehr scharf über das Reichsstempelgesetz
ausgesprochen. In seiner Schlußrede spricht der Präsident die Hoff-
nung aus, im nächsten Handelstage die mißvergnügten und grollen-
den Seestädte wieder begrüßen zu können.
2. April. (Preußen.) Es scheint nachgerade außer Zweifel
zu sein, daß der Reichskanzler seine Demission als preußischer Mi-
nisterpräsident wirklich gefordert hat, vom Kaiser dagegen aufgefor-
dert worden ist, sein Begehren schriftlich zu begründen. Inzwischen
schwirren die mannigfaltigsten Gerüchte durch die Luft. Im Grunde
glaubt jedoch niemand an einen thatsächlichen Rücktritt Bismarcks.
3. April. (Bayern.) II. Kammer: genehmigt mit 94 gegen
56 Stimmen die totale Reorganisation der bayerischen Forstverwal-
tung. Der Beschluß wird als ein großer Erfolg des verdienten
Finanzministers v. Riedel angesehen, den die Ultramontanen nicht
zu verhindern vermochten.
5. April. (Deutsches Reich.) Bundesrat: tritt unter dem
Vorsitze des Staatsministers v. Bötticher in einen Meinungsaustausch
über Erklärungen Sachsens und Württembergs betr. die Partei-
bestrebungen zu Errichlung eines verantwortlichen Reichsministeriums
(namentlich der neuen fusionierten sog. deutsch-freisinnigen Partei) ein.
Preußen gibt dabei folgende Erklärung ab: „Indem die königlich
preußische Regierung in den von der königlich sächsischen unter dem 24. März
angeregten Meinungsaustausch einkritt, teilt sie den prinzipiellen Standpunkt
der königlich sächsischen Regierung dahin, daß es sich empfiehlt, keinen
Zweifel darüber aufkommen zu lassen, daß die verbündeten Regie-
rungen ohne Ausnahme entschlossen sind, die Verträge, auf welchen
unsere Reichsinstitutionen beruhen, in unverbrüchlicher Treue aufrecht zu er-
halten und sie in dem Geiste zu handhaben, in welchem sie nach den Worten
der Reichsverfassung „zum Schutze des innerhalb des Bundesgebiets gültigen
Rechtes“ abgeschlossen sind. Jede Verminderung der Zuversicht, mit welcher