Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Das deutsche Reich und seine ewinzelnen Glieder. (April 24-28.) 53 
Urwahlbezirke berechtigt gewesen, weil die ausführenden Staatsorgane, hier 
die Landräte, der Aufsicht der Regierungsbehörden unterliegen. Die Form 
des Eingreifens Steinmanns sei nicht ganz korrekt gewesen. Uber einen viel- 
gerügten Brief Steinmanns sprach dieser auf eine sehr ernste Vorstellung des 
Ministers sein höchst schmerzliches Bedauern aus. Die Unerträglichkeit der 
Verhältnisse in jenem Regierungsbezirke habe ihre Ursache keineswegs in dem 
dortigen Regierungsvertreter, sondern in gewissen Politikern, die ohne Kon- 
flikte mit der Regierung nicht existieren könnten. 
24. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: Kommission für 
das Sozialistengesetz: Eugen Richter bringt die erste Nachricht, daß 
die Behörden die Beweise in Händen hätten, es sei voriges Jahr 
bei Gelegenheit der Eröffnung des Niederwalddenkmals ein Attentat 
versucht worden, den Kaiser, den Kronprinzen und alle anwesenden 
Fürsten und Staatsmänner durch Dynamit in die Luft zu sprengen, 
und nur dadurch vereitelt worden, daß die Zündschnur naß geworden. 
Als Hauptanstifter erscheint der am 9. Januar wegen der Attentate 
in Elberfeld und Frankfurt verhaftete Reinsdorff. Die Regierung 
bestätigt die Mitteilung nicht, bestreitet sie aber auch nicht. Dagegen 
erklärt der Minister v. Puttkamer, daß sie ein Gesetz bez. Spreng- 
stoffe im Reichstage einbringen werde. Die deutsch-freisinnigen Mit- 
glieder der Kommission haben sogar einen ausgearbeiteten Gesetz- 
entwurf gegen Anarchisten und Dynamitarden in petto. 
24. April. (Baden.) II. Kammer: Neue Debatte über die 
landwirtschaftliche Enquete der Regierung. Die Mehrheit der Kammer 
ist offenbar für eine Erhöhung der Getreidezölle; die Regierung 
weigert sich aber, darin die Initiative zu ergreifen. Die Kammer 
erklärt sich indes mit 25 gegen 18 Stimmen dafür und ebenso für 
ein wirksames Börsensteuergesetz. 
26. April — 1. Mai. (Preußen.) Abg.-Haus: 3. Lesung 
der Jagdordnung. Das Haus hält alle seine Beschlüsse 2. Lesung 
gegen die Modifikationen des Herrenhauses aufrecht und genehmigt 
schließlich das Ganze mit 194 gegen 38 Stimmen. 
28. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt in 
3. Lesung die Novelle zum Hilfskassengesetz, um dasselbe mit dem 
neuen Krankenkassengesetz in Einklang zu bringen. Die Sozialdemo- 
kraten und die Gewerkvereine sind jedoch damit sehr wenig einver- 
standen. 
Kommission für das Sozialistengesetz: Die Regierung spricht 
endlich das entscheidende Wort, indem Minister v. Puttkamer in 
ihrem Namen erklärt, sie lehne alle Amendements ab und verlange
	        
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