Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 12 —I5.) 57 
über diese Frage in einem Meinungsaustausch begriffen, von dem ich hoffe, 
daß er zu einer auch den deutschen Handelsinteressen Rechnung tragenden inter- 
nationalen Regelung der Verkehrsverhällnisse im Kongogebiete führen wird.“ 
12. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt die Ver- 
längerung des Sozialistengesetzes auch in 3. Lesung und lehnt die 
dazu vorgeschlagenen Resolutionen Windthorsts und Stöckers auf 
Freigebung der kirchlichen Kräfte, soweit solche durch Partikular- 
gesetzgebungen gehindert seien, ab, erstere mit 178 gegen 115 Stimmen. 
12. Mai. (Preußen.) Abg.-Haus: genehmigt die Kommunal- 
steuervorlage der Regierung in wesentlich unveränderter Fassung in 
3. Lesung. 
13. Mai. (Hamburg.) Ein Hamburger Konsortium kauft 
die bisher in englischen Händen befindlichen Aktien der „Deutschen 
Handels- und Plantagen-Gesellschaft der Südseeinseln“ im Nenn- 
betrage von 100,000 Pfd St. um 19,000 Pfd. St. an. Die Ge- 
sellschaft wurde bekanntlich in demselben Augenblick gegründet, als 
der Reichstag die Samoavorlage ablehnte und der Kolonialbesitz des 
Hauses Godeffroy unter den Hammer zu kommen drohte. Jeden- 
falls ist es erfreulich, daß die Godeffroy'schen Anlagen auf den Sa- 
moainseln jetzt ganz wieder in deutschen Besitz zurückgekehrt sind. 
15. Mai. (Preußen.) Der „Staatsanzeiger“ veröffentlicht 
folgende offizielle Kundgebung in der Affaire Steinmann bez. gesetz- 
widriger Wahlbeeinflussung: 
„Dem Könige allein steht nach Art. 45 der Verfassungsurkunde die 
vollziehende Gewalt zu. Mit dieser ausdrücklichen Vorschrift der Verfassung 
steht es im Widerspruch, wenn gelegentlich von Wahlprüfungen das Haus 
der Abgeordneten beschlossen hat, die Staateregierung aufzufordern, diejenigen 
Beamten, welche sich bei einer Wahl eine Überschreitung ihrer  Amtsbefugnisse 
haben zu schulden kommen lassen, zur Verantwortung zu ziehen. Se. Maj. 
der König haben aus Anlaß eines derartigen jüngsthin stattgehabten Vor. 
gangs in einem an das Staatsministerium gerichteten Erlasse vom 8. d. M. 
Allerhöchstdero Willensmeinung dahin kundzugeben geruhet, daß dieser und 
ähnliche Beschlüsse des Hauses in die Rechte eingreifen, welche Art. 45 der 
Verfassung dem Könige vorbehält. Se. Maj. hätten durch den von Aller- 
höchstdemselben auf die Verfassung geleisteten Eid die Verpflichtung über- 
nommen, in gleicher Weise wie jede andere Bestimmung der Verfassung auch 
deren Art. 45 und die Rechte der Krone und Ihrer Nachfolger an derselben 
unverbrüchlich aufrechtzuerhalten. Se. Maj. haben demgemäß die Erwartung 
auszusprechen geruht, daß das Staatsministerium bei allen Vorgängen der 
in Rede stehenden Art den Art. 45 der Verfassung und die Grenze, welche 
derselbe zwischen der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt vorzeichnet, 
geltend machen und wahren werde.“ Die Kundgebung stößt auf vielfachen 
Widerspruch. In den zitierten Verhandlungen des Abg.-Hauses vertrat Mi- 
nister v. Puttkamer die Regierung. Derselbe beschränkte sich indessen in 
seiner Rede darauf, das Verhalten des Regierungspräsidenten v. Steinmann, 
so gut es eben gehen wollte, zu verteidigen, wußte aber an der Berechtigung
	        
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