Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 18—19.) 59
Steuerkommission: schließt ihre zwei Lesungen der Einkommen-
und Kapitalsteuer-Gesetzentwürfe und genehmigt sie mit ihren vielen
und eingreifenden Veränderungen als Ganzes mit 13 gegen 10 Stim-
men. Der bevorstehende Schluß der Landtagssession macht das Er-
gebnis fruchtlos, das übrigens auch sonst keinerlei Aussicht auf An-
nahme weder von seiten der Regierung noch von seiten des Abg.-
Hauses darbietet.
18. Mai. (Deutsches Reich.) Große nationalliberale Partei-
versammlung in Berlin. Es haben sich dazu 550 Delegierte aus
allen Teilen des Reichs eingefunden. Dieselbe beschließt einstimmig
folgende Resolution:
„Die nationalliberale Partei hält an der Grundlage des Programms
vom 29. Mai 1881 fest: Sie steht in unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und
Reich, sowie zu der ungeschmälerten Aufrechterhaltung der durch die Reichs-
verfassung verbürgten Rechte der Volksvertretung. Sie wahrt ihre volle
Selbständigkeit und Unabhängigkeit nach allen Richtungen hin; die Ver-
schmelzung mit anderen Parteien ist bei der gegenwärtigen Lage der Ver-
hältnisse ausgeschlossen. Sie begrüßt mit lebhafter Befriedigung die auf dem
Boden jenes Programms stehende Heidelberger Kundgebung der süddeutschen
Parteigenossen vom 23. März d. J. Sie erblickt in derselben und in dem
Anklange, welchen die Erklärung in den weitesten Kreisen gefunden, den er-
freulichen Beweis für das in der Partei mit neuer Kraft erwachte polilische
Leben und für die Entschiedenheit und Energie, mit welcher die Parteigenossen
in die Bewegung für die bevorstehenden Reichstagswahlen einzutreten ent-
schlossen sind. Mit den Nationalliberalen Süddeutschlands teilt die Partei
die Überzeugung, daß die Aufrechterhaltung des Gesetzes gegen die gemein-
gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie zur Zeit noch eine Notwen-
digkeit war. Um so mehr erachtet sie es aber für geboten, die Reichsregierung
in ihren auf die Verbesserung der sozialen Lage der arbeitenden Klassen ge-
richteten Bestrebungen vorbehaltlich einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen
Maßregeln, mit allen Kräften zu unterstützen. Sie wird vor allem dafür
eintreten, daß das Unfallversicherungsgesetz noch im Laufe dieser Session zu-
stande kommt. Sie erwartet seitens der Gesinnungsgenossen in allen Teilen
Deutschlands die gleiche Entschiedenheit und jene den Gegensatz örtlicher In-
teressen überwindende Einigkeit, welche den Erfolg verbürgt. Sie fordert
allerorten die Parteigenossen auf, sich zu sammeln und bei den bevorstehen-
den Wahlen mit voller Hingebung ihre politische Pflicht zu erfüllen."
19. Mai. (Deutsches Reich.) Abschluß eines Handelsvertrags
mit Korea. Derselbe bietet für den deutschen Verkehr mit Ostasien
umso bessere Aussichten, als der jetzige leitende Staatsmann in Korea
ein Deutscher ist, namens Paul v. Möllendorff.
19. Mai. (Deutsches Reich.) Das Reichsgericht verurteilt
den Hauptmann Hentsch wegen Landesverrats zu 9jährigem Zucht-
haus und Kraszewski unter Anwendung mildernder Umstände zu
3 ½ jähriger Festungshaft.
19. Mai. (Preußen.) Schluß des Landtags durch tgl. Bot-