134 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktbr. 10.)
eingerichtete Mission zur Bekehrung von Eingebornen kann man nach der
ungeahndet gebliebenen Ermordung des Missionars und seines Gefolges als
einen Akt spanischer Besitzergreifung weder in betreff der Insel Mog-Mog
und noch weniger der gesamten, 1600 Seemeilen deckenden Inselgruppe an-
sehen. Die königlich spanische Regierung gibt selbst zu, daß niemals seit der
ersten Entdeckung eine spanische Behörde oder Garnison auf den Inseln vor-
handen gewesen ist. Die noch näher zu erörternden Vorgänge, aus denen
Spanien einen Erwerb der Inselgruppe in dem letzten Jahre herzuleiten
versucht, enthalten vielmehr das Zugeständnis, daß vorher eine solche Sou-
veränetät nach der eigenen Ansicht der spanischen Regierung nicht bestanden
hat, da kein Bedürfnis vorliegen konnte, einen bereits gemachten Erwerb
nochmals zu erwerben. Die spanische Regierung hat niemals zu erkennen
gegeben, daß sie gewillt sei, Souveränetätsrechte über die Inseln auszuüben;
sie hat die letzteren vielmehr Jahrhunderte hindurch ihrem Schicksal über-
lassen und mit ihnen nicht einmal die gleichen Beziehungen unterhalten wie
andere seefahrende Nationen. Wenn aber auch irgend ein Zweifel über die
Abwesenheit jeder politischen und kommerziellen Beziehung Spaniens zu den
Karolinen- und Pelew-Inseln hätte aufkommen können, so mußte derselbe
durch das Verhalten der spanischen Regierung gegenüber dem deutsch-eng-
lischen Vorgehen im Jahre 1875 schwinden. Damals haben die deutsche wie
die großbritannische Regierung durch ihren Vertreter in Madrid amtlich er-
klärt, daß sie eine Souveränetät Spaniens über die Karolinen- und Pelew-
Inseln nicht anerkennen. Die königlich spanische Regierung hat diesen for-
mellen Protest der beiden einzigen mit den Inseln Handel treibenden Staaten
entgegengenommen, ohne etwas auf denselben zu erwidern, obwohl es nach
den Grundsätzen des Völkerrechts zur Vermeidung von Rechtsfolgen angezeigt
gewesen wäre, einen Widerspruch geltend zu machen, wenn Spanien vor zehn
Jahren schon geglaubt hätte, daß die fraglichen Inseln in der That einen
Teil des spanischen Gebiets bildeten. Deutschland hat in seiner Note vom
4. März 1875 keineswegs auf jeden kolonialen Erwerb verzichtet, sondern
nur den Satz ausgesprochen, der heute und jederzeit noch giltig ist, daß das
deutsche Reich die Erwerbung spanischer Besitzungen nicht erstrebt, weil es
die Rechte befreundeter Regierungen sorgfältig achtet. Wenn schon das
Schweigen Spaniens auf die deutschen und englischen Noten vom 4. und
3. März 1875 den ausreichenden Beweis liefert, daß Spanien damals
Hoheitsrechte über jene Inseln nicht zu haben glaubte, so ist diese Thatsache
ein Jahr später durch ausdrückliche Äußerungen des damaligen spanischen
Ministeriums auch positiv bekundet worden, wie sich aus der im englischen
Blaubuch Nr. 3108 vom Jahre 1882 veröffentlichten Depesche Sir A. Layarde
vom 14. November 1876 ergibt, nach welcher der damalige und jetzige könig-
lich spanische Herr Ministerpräsident 1876 wiederholt erklärt hat, daß Spa-
nien keine Hoheitsrechte über die Karolinen beanspruche. Dieser ihrer eige-
nen Auffassung entsprechend hatte die königlich spanische Regierung, wie sie
selbst anerkennt, im Jahre 1875 ihren Konsul in Hongkong angewiesen, sich
seiner von ihm bezüglich des Handelsverkehrs fremder Schiffe im Karolinen-
Archipel erhobenen Ansprüche fernerhin zu enthalten. In dieser Anweisung
liegt das offizielle Anerkenntnis, daß Spanien die deutsch-englische Auffassung
über die Souveränetät der Inseln teilte und daselbst keine Hoheitsrechte zu
besitzen glaubte. Spanien hat also 1875 und 1876 die Herrenlosigkeit der
Karolinen- und Pelew-Inseln selbst anerkannt und international festgestellt.
Eine nochmalige Erörterung der durch vertragliche Abmachungen erledigten
Sulu-Frage glaubt die kaiserliche Regierung sich versagen zu sollen; es dürfte
für die heutige Frage die Bemerkung genügen, daß die bis dahin nicht be-
strittene und von Spanien nicht geübte Souveränetät Spaniens über Sulu