Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

162 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezbr. 30.) 
französischen Gebiet frei hin- und herbefördern und austauschen, ohne zur 
Zahlung irgendwelcher Abgabe genötigt zu sein. Die gleiche Befugnis wird 
auf Grund der Gegenseitigkeit den deutschen Kaufleuten zugesichert. Deutsch- 
land und Frankreich behalten sich vor, nach vorheriger Untersuchung an Ort 
und Stelle über den Erlaß gemeinsamer Zollbestimmungen für ihre beider- 
seitigen Gebiete zwischen den englischen Besitzungen an der Goldküste im 
Westen und Dahomey sich zu verständigen. Die Grenze soll an Ort und 
Stelle durch eine gemischte Kommission festgestellt werden. Sie wird von 
einem an der Küste zu bestimmenden Punkte zwischen dem Gebiet von Klein- 
Popo und Agoué ausgehen, bezüglich ihres Laufes wird auf die Grenzen der 
einheimischen Stämme Rücksicht genommen werden. Deutschland verpflichtet 
sich, östlich von dieser Linie, Frankreich westlich von derselben sich jeder po- 
litischen Einwirkung zu enthalten. 
3. Küste von Senegambien; Flußgebiet im Süden. Deutschland ver- 
zichtet auf alle Rechte oder Ansprüche, welche es bezüglich der zwischen dem 
Rio Nunez und dem Mellacorée gelegenen Gebiete, namentlich bezüglich Koba 
und Kabitai geltend machen könnte, und erkennt die Souveränetät Frank- 
reichs über diese Gebiete an. 
4. Südsee. Die deutsche Regierung verpflichtet sich gegenüber der 
französischen, nichts zu unternehmen, was eine eventuelle Besitzergreifung der 
Inseln und Riffe, welche die Gruppe der „Inseln unter dem Wind“ in der 
Südsee bilden und an den Tachiti- oder Gesellschafts-Archipel anschließen, 
durch Frankreich hindern könnte. Sie übernimmt dieselbe Verpflichtung be- 
züglich des Archipels der Neu-Hebriden, welcher in der Nähe von Neu-Cale- 
donien liegt. Die französische Regierung übernimmt für den Fall, daß Frank- 
reich von einer der oben erwähnten Inselgruppen Besitz ergreift, die Ver- 
pflichtung, die von deutschen Staatsangehörigen erworbenen Rechte zu achten, 
namentlich bezüglich der Anwerbung von eingeborenen Arbeitern, und sich zu 
diesem Zweck mit der kaiserlich deutschen Regierung ins Einvernehmen zu setzen. 
Durch je zwei zwischen dem Grafen Bismarck und dem französischen Bot- 
schafter gewechselte Noten vom 24. Dezember sichert Frankreich der in dem 
an Frankreich überlassenen Gebiet von Senegambien angesiedelten deutschen 
Gesellschaft Fr. Colin Schutz des Eigentums und der Personen, Anerkennung 
ihrer Privatrechte und Gleichstellung mit ähnlichen französischen Gesellschaften 
zu. Dagegen verspricht Deutschland dem König Mensa von Porto Seguro, 
welcher früher den Schutz Frankreichs nachgesucht hatte, lebenslänglich in 
seiner Stellung zu belassen und ihn mit Wohlwollen und allen ihm zukom- 
menden Rücksichten zu behandeln. (St A. 46.) 
30. Dezember. (Sachsen.) II. Kammer: Anträge der So- 
zialdemokraten, betr. die Unentgeltlichkeit des Volksschul-Unterrichts. 
Die sozialdemokratischen Abgeordneten beantragen, daß für alle auf 
Grund von §. 3 des Gesetzes über das Volksschulwesen errichteten Schulen, 
a. die Erhebung von Schulgeld, b. die Erhebung besonderer Schul- 
abgaben aufgehoben wird, dagegen angeordnet wird, daß die Aufbringung 
der Unterhaltungskosten für die Volksschulen, soweit diese nicht aus 
vorhandenem Vermögen oder Stiftungsfonds bestritten werden, durch Be- 
steuerung aller steuerpflichtigen Gemeindemitglieder nach Maßgabe ihres 
Einkommens stattzufinden hat; daß der Staat die Verpflichtung übernimmt, 
den Schulgemeinden zur Unterhaltung der Volksschulen einen jährlichen Bei- 
trag von mindestens 8 Millionen Mark aus der Staatskasse dergestalt zu 
überweisen, daß dieser Beitrag, soweit er nicht für Pensionen und Unter- 
stützungen an Lehrer und an Pensionen und Unterstützungen an Hinterlassene 
von Lehrern Verwendung findet, nach der Kopfzahl der schulpflichtigen Kinder
	        
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