Die Oefterreichisch·Angarishe Menarchie. (März 19. —27.) 181
und läßt die Tribünen räumen. Nachher schließt Knotz seine Rede mit
einem Hinweis auf die einstmaligen Klagen aus Schleswig-Holstein; „in
unseren Reihen finden Sie keinen Hochverräter und aus unseren Reihen
dringt kein Schmerzensschrei; aber Sie, meine Herren von der Majorität,
sind nicht gefeit, wenn Sie unsere nationale Bedrängung noch so weiter fort-
treiben, daß uns füglich das ganze deutsche Volk auch ohne unser Zuthun
als den bedrängten Bruderstamm betrachtet."“
Der Justizminister Prazak bestreitet die gegen die Rechtspflege in
Böhmen erhobenen Beschuldigungen und versichert, daß er dem Hochverrats-
prozeß vollständig ferne gestanden habe.
Die deutsch-österreichische Presse tritt den Anklagen des Abg. Knotz
bei und versichert, daß die Rede desselben von der vereinigten Linken in
allen Teilen gebilligt würde.
19. März. (Österreich.) Das Budget wird gegen die
Stimmen der vereinigten Linken genehmigt.
In der Debatte schildert ein ruthenischer Abgeordneter die polnische
Gewaltherrschaft in Galizien und erklärt, er danke öffentlich der Linken, daß
sie sich seines Volksstammes angenommen, und wenn in der nächsten Session
gar kein Ruthene mehr im Abgeordnetenhause erscheinen sollte, dann solle die
Linke sich der Unvertretenen annehmen.
21.—24. März. (Osterreich: Nordbahn.) Abg.-Haus:
lehnt den auf Verstaatlichung gerichteten Antrag der Linken (Herbst)
mit 165 gegen 136 Stimmen ab und beschließt mit 166 gegen
141 Stimmen in die Spezialdebatte der Regierungsvorlage einzutreten.
Die Regierungsvorlage bezweckt die Verlängerung der Konzession der
Nordbahngesellschaft (Wien-Krakau) auf 55 Jahre, wogegen die Gesellschaft
verpflichtet wird, ihre Tarife denjenigen der Staatsbahnen gleichzustellen und
verschiedene Zweiglinien zu bauen; nach Ablauf der Konzessionszeit fällt die
Bahn lastenfrei an den Staat.
Bei der Abstimmung über den Antrag Herbst fehlen 21 Mitglieder
der Linken, mit der Minorität stimmen aber auch eine Anzahl Deutsch-Kleri-
kale. Der Antrag Schönerer, die Verstaatlichung sofort auszusprechen, wird
gegen 6 Stimmen abgelehnt. Das Abstimmungsresultat wird von den
Gallerien mit großem Tumult und den Rufen: „Nieder mit den Nordbahn-
juden!“ „Hoch Schönerer!“ aufgenommen. Die Gallerien werden geräumt.
27. März. (Osterreich: Nordbahn. Vertagung.) Abg.=
Haus: nimmt in dritter Lesung die Nordbahn-Vorlage (159 gegen
148 Stimmen) und das Dynamitgesetz an und vertagt hierauf seine
Sitzungen.
Unerledigt bleiben das Anarchistengesetz, das Unfallversicherungsgesetz
und die Zollnovelle.
Die Spezialberatung der Nordbahn-Vorlage am 26. März führt zu
einer Sezession der vereinigten Linken: die Majorität beschließt die vom
Coronini-Klub gestellten, von der Rechten und der Regierung acceptierten
Abänderungsvorfchläge an den Eisenbahn-Ausschuß zu derweisen mit dem
Auftrage, noch an demselben Tage darüber zu berichten; die Linke will da-
gegen in dem Ausschuß eine eingehende Beratung herbeiführen, obgleich da-