188 Lie Gesterreichis#- Auserische Monartzie. (April 21.)
endlich aufgeben, bei jeder Außerung dieser Stellung sofort über Verletzung
der Gleichberechtigung zu klagen. Alle jene minder zahlreichen Nationali-
täten, welche sich den Deutschen anschlossen, hatten niemals über Einbuße
ihres nationalen Lebens zu klagen; sie sind vielmehr durch die Deutschen
gegen andere nationale Einflüsse geschützt worden und waren uns als Bun-
desgenossen für freiheitliche Bestrebungen stets willkommen.
Im Interesse des Staates und der Deutschen werden wir daher alle
Versuche bekämpfen, welche die Verwaltung des Staates slavisieren wollen
oder welche durch Erhebung der Forderung eines sogenannten böhmischen
Staatsrechtes eine föderalistische Sonderbildung in flavischem Sinne an-
streben.
Den Schutz der Deutschen in den gemischtsprachigen Län-
dern haben wir immer als unsere erste Aufgabe anerkannt und werden sie
immer voranstellen; die durch die jetzige Regierungs-Politik hervorgerufenen
Bestrebungen der Deutschen in Böhmen nach nationaler Abgrenzung der
Verwaltungs= und Gerichtsbezirke dieses Landes werden stets unsere Unter-
stützung finden.
Wir erblicken in dem Bündnisse mit dem deutschen Reiche die
beste Gewähr für die Erhaltung des Friedens; wir haben dessen Abschluß
freudig begrüßt, haben darum die auswärtige Politik der gemeinsamen Re-
gierung, welche sich dieses Ziel vor Augen hielt, bereitwillig unterstützt und
wünschen die Fortdauer und Befestigung dieses Bündnisses.“
Der Aufruf bespricht sodann die Aufgaben der Zukunft in der sozia-
len Gesetzgebung, Hebung des Kleingewerbes, Hebung des landwirtschaftlichen
Kreditwesens, Verhinderung der Aufsaugung des bäuerlichen Besitzes durch
die Latifundien, Reformen in der Rechtspflege und Verwaltung, und schließt:
„In die bevorstehenden Verhandlungen mit Ungarn über die
Erneuerung des Zoll= und Handelsbündnisses und die Festsetzung
der Beitragsleistung zu den gemeinsamen Angelegenheiten werden wir mit
gutem Willen und dem Wunsche nach Erhaltung des gemeinsamen
Zollgebietes eintreten, allein wir werden dabei nicht auter acht lassen,
daß uns die bisherigen Abmachungen schon schwere finanzielle Lasten aufer-
legen und daß bei der gegenwärtigen Lage der Landwirtschaft die Erhaltung
des einheitlichen Zollgebietes mehr als je im Interesse Ungarns liegen muß,
dessen Bodenprodukte bei der Abschließung anderer europäischer Absatzgebiete
fast ausschließlich auf den österreichischen Konsum angewiesen sind. Wir
würden es lebhaft begrüßen, wenn es gelänge, an diese Verhandlungen die
Wiederherstellung der metallischen Währung zu knüpfen, ein Ziel-
punkt, der stets unsere bereitwillige Unterstützung finden wird.
Diese allgemeinen Grundsätze werden uns in unserm Verhalten leiten;
sie nach Kräften durchzuführen, halten wir uns für verpflichtet, wenn wir
wieder einmal zur Mehrheit gelangen sollten; ja, wir würden es gerade als
unsere nationale Aufgabe betrarhten, auf diesen Grundlagen für die Blüte
und die Macht Osterreichs zu wirken.
Trotz der gegenwärtigen schwierigen Lage treten wir ungebeugten
Mutes in die allgemeinen Wahlen. Wir werden den Einfluß der Regie-
rung und den erbitterten Kampf unserer nationalen Gegner zu
bestehen haben. Die Mittel der Macht sind gegen uns; aber für uns sind
die Geschichte und das Lebensinteresse des Staates selbst; für uns das täg-
lich mehr erwachende nationale Bewußtsein der Deutschen in Osterreich, die
zunehmende Erkenntnis von der Bedeutung des Kampfes zwischen Slaventum
und Deutschtum und vielleicht auch die Erinnerung der Bevölkerung, daß
alle freiheitlichen Institutionen, welche, wenn sie auch mäßige Errungenschaf-
ten sind, Osterreich dennoch zu einem modernen Staate gemacht haben, das