Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Bie Geseerreichis-Muzariseze Mosarcie. (Juni 25.) 205 
Thätigkeit in nationaler Beziehung angewiesen, erwächst uns um so mehr 
die Pflicht initiativer Arbeit auf sozialpolitischem und wirtschaftlichem Ge- 
biete. Wir werden demnach im Wege der Spezialgesetzgebung eintreten für 
Arbeiterschutz sowie, für die Erhaltung und Hebung des städtischen Mittel- 
standes und des Bauernstandes. 
5) Der unser wirtschaftliches Leben mehr und mehr schädigenden Kor- 
ruption werden wir rücksichtslos entgegentreten, mag sie in was immer für 
Formen und bei was immer für Faktoren und Parteien sich zeigen. Ins- 
besondere werden wir uns auch bemühen, durch Schaffung gesunder Grund- 
lagen für die Presse eine Läuterung derselben herbeufühs 
6) Wir werden endlich die Erweiterung der politischen Volksrechte 
anstreben und der Verkümmerung derselben durch administrative Willkür, 
sowie allen rückschrittlichen Bestrebungen auf dem Gebiete des Schulwesens 
entgegentreten.“ 
Dr. Weitlof, der Präsident des deutschen Schulvereins, beantragt 
Namens einer Reihe von Abgeordneten die Bildung eines „deutschen Klubs“ 
unter Zugrundelegung folgender Prinzipien: « » 
„Wiederherstellung und Sicherung der deutschen Führung in Hster— 
reich und daher Bekämpfung des slavischen, insbesondere des polnischen Uber- 
gewichtes, gesetzliche Feststellung der deutschen Staatssprache, Befestigung des 
Bündnisses mit dem deutschen Reiche und gemeinsame Pflege der beiden 
Reichen gemeinsamen Interessen, entschiedenes Eintreten für die reformatorische 
Arbeit auf sozialpolitischem und wirtschaftlichem Gebiete zum Schutze der 
Arbeiter, sowie zur Erhaltung des städtischen Mittelstandes und des Bauern— 
standes, Bekämpfung der Korruption auf allen Gebieten, sowie Abwehr der 
Verkürzung der staatsbürgerlichen Rechte und der rückschrittlichen Bestrebungen 
auf dem Gebiete des Schnlwesens.“ « 
25. Juni. (Osterreich: Gemeinsamer Hirtenbrief.) 
Das „Vaterland“ veröffentlicht den Hirtenbrief, welchen die vom 
19. Februar bis zum 2. März zu den Bischofskonferenzen in Wien 
versammelten Erzbischöfe und Bischöfe erlassen haben. Die ver- 
spätete Veröffentlichung wird mit dem seither eingetretenen Tode des 
Kardinals Schwarzenberg motiviert. 
Der Hirtenbrief spricht sich folgendermaßen über die Nationalitäten- 
rage aus: 
„Als ein trauriges Zeugnis für die Abschwächung des Glaubensbe- 
wußtseins müssen wir auch eine andere betrübende Erscheinung anführen — 
wir meinen die gegenseitige Erregung und Erbitterung der verschiedenen 
Völker und Sprachstämme in unserem lieben Osterreich — man darf sie so 
nennen, die Nationalitäten-Hetze. Nach christlicher Anschauung sind die ver- 
schiedenen Nationen des Erdkreises nichts anderes als gleichberechtigte Glieder, 
als Geschwister der einen Völkerfamilie Gottes. Wer diese Wahrheit nicht 
anerkennt, wer sie leugnet, sei es auch nur praktisch durch sein Verhalten, 
wer demnach die Vorliebe zu seinem Volksstamme so auf die Spitze treibt, 
daß er andere Nationen haßt oder verachtet, Streit und Zwist zwischen ihnen 
erregt, wer in seinem Mitmenschen nicht in erster Reihe den Erlösten Christi 
sieht, sondern einfach den nationalen Gegner, der denkt und handelt nicht 
mehr im Geiste eines katholischen Christen, weil er die Nationalität über 
den katholischen Glauben stellt. Höret die Worte, welche die österreichischen 
Bischöfe im Jahre 1849 über diesen Gegenstand an ihre Gläubigen gerichtet 
haben. Ihr Mahnruf gilt heute wie damals, ja heute noch mehr als da- 
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