Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

208 Die Oeherreichisch· Angarische Menatchie. (Juli 9.) 
an der Lehrer- und Lehrerinnen-Bildungsanstalt in Laibach außer Deutsch 
und Pädagogik sämtliche Unterrichts-Gegenstände in slovenischer Unterrichts- 
sprache vortragen zu lassen. 
9. Juli. (Siebenbürgen: Magyarisierung.) über die 
Stellung der deutschen Sprache in Siebenbürgen und die Haltung 
der sächsischen Bevölkerung gegenüber dem ungarischen Staate erläßt 
der Kultusminister Trefort an den siebenbürgischen Superintenden- 
ten Dr. Teutsch folgendes Schreiben: 
„Ew. Hochwürden! Die Münsche und Bedenken, welche Ew. Hoch- 
würden auf die in Sachen des ungarischen Sprachunterrichts getroffenen 
Verfügungen in einem mir überreichten Memorandum dargelegt haben, ver- 
anlassen mich zu einigen Bemerkungen, an die ich einen zeitgemäßen Rat 
knüpfen möchte. Es bedarf wohl nicht der wiederholten Versicherung, daß 
ich in der bezeichneten Frage nicht von der bisher verfolgten Richtung abweichen 
und zu keiner Transaktion die Hand bieten kann. Es ist ein Axiom meiner 
Unterrichtspolitik, daß wir in dieser Frage auf dem Wege, den Gesetzgebung 
und Regierung eingeschlagen haben, konsequent fortschreiten und den Inten- 
tionen des Gesetzes mehr und mehr gerecht werden müssen. Wir fühlen die 
Notwendigkeit einer zweisprachigen Bildung. Das bezeugt vor allen die Auf- 
nahme der deutschen Sprache in die Reihe der obligaten Lehrgegenstände 
unserer Mittelschulen. Wir wissen wohl, daß die Kenntnis wenigstens einer 
fremden Kultursprache heute mehr denn je von eminenter praktischer Wich- 
tigkeit und zumal eine Bedingung höherer sozialer und wissenschaftlicher 
Bildung ist. Andrerseits liegt es in der Natur der Sache, daß das In- 
teresse des Staates, wie das Interesse der einzelnen Staatsbürger die Ver- 
breitung der Sprache der Gesetzgebung und Staatsverwaltung in allen Teilen 
des Vaterlandes, in allen Schichten der polyglotten Bevölkerung fordert. 
Es handelt sich um die Verallgemeinerung der Kenntnis und des Gebrauches 
der ungarischen Sprache. Das bedeutet nicht „Achtung“ oder „Unterdrückung“ 
der deutschen Sprache, welche in unseren Schulen gelehrt wird. Daran 
können die Schlagworte gewisser Malkontenten nichts ändern. Die Sieben- 
bürger Sachsen mögen sch nicht durch agitatorische Schlagworte beirren 
lassen, sondern den durch die Natur und das Interesse des modernen unga- 
rischen Staates vorgezeichneten Weg betreten. Der ungarische Staatsgedanke 
bietet ihnen alle Bürgschaften des Gedeihens. Nicht durch das Festhalten 
an einem künstlichen Abschließungssystem oder gar indem sie bedenkliche Kon- 
flikte heraufbeschwören, sondern nur durch bereitwilliges Eintreten in einen 
regeren und innigeren Verkehr mit der ungarischen Bevölkerung werden sie 
das Interesse des gemeinsamen Vaterlandes und ihr eigenes Interesse wirk- 
sam fördern. Leider ist in dieser Richtung bisher von seiten der Sieben- 
bürger Sachsen recht wenig geschehen. Ich kenne die Ursachen dieses uner- 
freulichen Zustandes. Wenn die Jugend daheim in jenem exklusiven Geiste 
erzogen wird, der sich mit der natürlichen Entwicklung unseres Staatswesens 
nicht abzufinden vermag, kann ein erfreulicher Umschwung nicht bald ein- 
treten. Allein dieses schwerwiegende Hindernis hängt innig mit einem an- 
deren Umstande zusammen, nämlich mit der herrschenden Sitte, die für einen 
gelehrten Beruf bestimmten Jünglinge gleich nach der Absolvierung der 
humanistischen Studien ins Ausland zu senden und dieselben ihre akademi- 
schen Studien durchwegs an ausländischen Hochschulen absolvieren zu lassen. 
Diese Jünglinge eignen sich in dem Alter der größten Empfänglichkeit nur 
zu leicht Ansichten an, die kein Verständnis und keine Sympathie für die 
jetzige Gestaltung des ungarischen Staates aufkommen lassen, und werden so
	        
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