Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Die Oefterreithisch-Augarische Monarchie. (Mitte Dezember.) 231 
Mitte Dezember. (Volksschulen in Böhmen u. Mähren.) 
Die Berichte der Landtagsausschüsse über das Budget der Volks- 
schulen ergeben folgendes: 
In Böhmen bestanden zu Anfang des Schuljahres 1885 deutsche 
Volksschulen 2000, von denen sich im ganzen nur 23 Schulen mit 94 Klassen 
in czechischen Landschulbezirken befanden. Die Zahl der czechischen Volks- 
schulen betrug 2573 mit 7225 Klassen, von denen 13 Schulen mit 44 Klassen 
innerhalb deutscher Schulbezirke lagen. Die Zahl der czechischen Volksschul- 
klassen überstieg die der deutschen um mehr als 2000. Dazu kommen 119 
deutsche Privatvolksschulen in czechischen Bezirken und 22 czechische Privat- 
volksschulen in deutschen Bezirken. 
In Mähren bestehen nach den Mitteilungen des Landesschulrates 57 
Bürgerschulen (42 deutsche, 13 czechische und 2 utraquistische), 2087 Volks- 
schulen (darunter 1083 einklassige), und zwar 617 deutsche, 1448 czechische, 
22 utraquistische und 76 Privat-Volksschulen. Nach den Erhebungen der 
Landes-Buchhaltung wurden im Schuljahre 1884/85 neu eröffnet 6 deutsche, 
35 czechische Schulen, 50 deutsche, 132 czechische und 2 utragquistische neue 
Klassen. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder betrug 374 537, von welchen 
nach den Ausweisen der Landes-Buchhaltung 346 550, das ist 91 Prozent, 
die bffentlichen Schulen besuchten. Uberhaupt keinen Unterricht genossen 5960 
inder. 
14. Dezember. (Böhmen. Mähren.) Ergänzungswahl für 
die Gemeindevertretung in Prag und Brünn. 
In Prag beteiligten sich die Deutschen seit längerer Zeit zum ersten- 
mal wieder an der Gemeinderatswahl. Im ersten Wahlkörper der Altstadt 
kommen auf 4 Sitze 5 Deutsche und 3 Czechen in die engere Wahl, sodaß 
die Wahl eines Deutschen gesichert ist. 
In Brünn werden die Deutschen Kandidaten, da die Czechen sich der 
Stimmabgabe enthalten, fast einstimmig gewählt. 
15. Dezember. (Böhmen.) Der Antrag von Plener, betr. 
die nationale Abgrenzung der Gerichts= und Verwaltungsbezirke, 
wird an einen Ausschuß verwiesen. 
Der (am 5. Dezember eingebrachte) Antrag lautet: 
„In Erwägung, daß in dem geschlossenen deutschen Sprachgebiete 
Böhmens durch Gesetz und Herkommen die deutsche Sprache als äußere 
Dienstsprache bei den k. k. Gerichten und Behörden ausschließlich im Ge- 
brauche war und daß die Anderung dieses Zustandes durch die Sprachen- 
verordnung die Interessen und die Gefühle der deutschen Bevölkerung em- 
pfindlich verletzt hat in Erwägung, daß bei dem Charakter, welchen die Be- 
ziehungen der beiden Nationalitäten zu einander angenommen haben, die 
nationale Auseinandersetzung beider Volksstämme als ein wirksames Mittel 
zur Herbeiführung besserer Zustände in diesem Lande erscheint, in Erwägung, 
daß die Abgrenzung der gemischtsprachigen Landesteile nach nationalen Grenz- 
linien, sowie die Errichtung von möglichst ungemischten Bezirken noch immer 
nicht völlig durchgeführt ist, beantragen die Unterzeichneten, der Landtag 
möge beschließen: 1. Die Regierung wird aufgefordert, die Sprachenverord- 
nung vom 19. April 1880 für die Kreisgerichtssprengel Eger, Brüx, Leipa, 
Leitmeritz, Reichenberg aufzuheben und den früheren der Gerichtsordnung 
entsprechenden Zustand, nach welchem nur die im Gerichtsbezirke übliche 
Sprache bei Gericht zu gebrauchen ist, wieder herzustellen, sowie die nötig
	        
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