Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Erster Jahrgang. 1885. (26)

Greßjbritannien. (Juli 6.) 271 
6. Juli. (Programm des Ministeriums.) Oberhaus 
Salisbury entwickelt das Programm der neuen Regierung: 
Uber die auswärtige Politik sagt der Minister im wesentlichen fol- 
gendes: „Ich halte es für angezeigt, mich über den Stand einiger wichtiger 
Fragen zu äußern, welche die auswärtige Politik des Landes in beträcht- 
lichem Grade berühren. Eine Frage von ernstester Wichtigkeit bilden die 
Unterhandlungen, welche seit geraumer Zeit mit dem russischen Hofe betreffs 
der Grenzen Afghanistans stattfinden. In Betreff dieser Angelegenheit 
und anderer Fragen ist es nicht meine Aufgabe, mich über die Vergangen- 
heit zu verbreiten. Wir fanden, was unsere Vorgänger hinterließen, und 
es ist unsere Sache, die Politik aufzunehmen und zu einem mit dem Ge- 
meinwohle vereinbaren Austrage zu bringen. Es ist jedoch nicht unsere 
Sache, uns auf irgend eine Kontroverse betreffs dieser Politik einzulassen. 
Die Aktion der jetzt am Ruder befindlichen Regierung unterliegt natürlich 
wesentlichen Beschränkungen, die der Thatsache entspringen, daß wir zu einer 
Zeit ins Amt getreten sind, wo gewisse Fragen sich einem Abschlusse näher- 
ten. Die Folge davon ist, daß manche Zusagen gemacht worden sind, und 
die erste Pflicht irgend einer Regierung ist es, darauf zu achten, daß die Zu- 
sagen, welche eine englische Regierung gemacht hat, beobachtet werden. Diese 
Rücksicht beherrschte alle anderen in der Prüfung der Unterhandlungen, deren 
Erben wir sind, und diese Zusagen müssen materiell in bedeutendem Maße 
unsere Aktionsfreiheit beschränken. Eine Illustration liefert die afghanische 
Grenzfrage. Die Hauptdifferenz zwischen den zwei Regierungen betraf einen 
gewissen Teil der Grenze, welche der Zulfikar-Paß genannt wird. Die 
Wichtigkeit dieses Passes, mag sie bedeutend oder gering sein, liegt uns nicht 
zur Erwägung vor, weil es sich nicht um die Wichtigkeit oder Nichtwichtig- 
keit desselben für England und Asghanistan handelt, sondern um die That- 
sache, daß England dem Emir von Asghanistan versprochen hatte, daß dieser 
Paß in den Grenzen Afghanistans mit eingeschlossen werden würde, und von 
diesem Versprechen abzuweichen, liegt nicht in unserer Macht. Es ist von 
der äußersten Wichtigkeit, daß wir in Asien und anderen Ländern das Prinzip 
herstellen, daß das Wort Englands, wenn es einmal gegeben worden, gehalten 
werden muß. Freilich ist das dem Emir gegebene Versprechen erst erfolgt, 
nachdem der russische Hof versprochen, daß der Zulfikar-Paß in dem Gebiete 
des Emirs inbegriffen sein soll. Es entstanden sodann Differenzen über die 
genaue Anwendung dieser Versprechungen, und diese Differenzen bilden jetzt 
den Gegenstand von Unterhandlungen. Es ist vielleicht etwas zu früh, eine 
Meinung über den schließlichen Ausgang derselben oder über den Modus, in 
welchem jene Verhandlungen ihren Verlauf nehmen dürften, auszudrücken; 
aber soweit ich Gelegenheit hatte, mir darüber ein Urteil zu bilden, wurden 
die Unterhandlungen vom russischen Hofe, sowie sicherlich kauch unsererseits 
mit einem ernsten Wunsche gepflogen, zu einer freundschaftlichen Lösung zu 
elangen. Während ich ein solches Ergebnis erhoffe, bin ich gezwungen, zu 
aa en, daß die Unterhandlungen nicht weit genug gediehen sind, um mich zu 
befhigen. mich in irgend einer positiven Weise darüber auszusprechen. Ob- 
wohl wir das Vertrauen und die Freundschaft des Emirs kultivieren und 
hoffentlich erfolgreich kultivieren, dürfen wir nicht seiner Freundschaft, son- 
dern geschickt entworfenen und energisch und rasch ausgeführten Vorberei- 
tungen für die Verteidigung unserer eigenen Grenze auf allen Punkten, wo 
sie shwach ist, und Bollwerken, welche nicht nur die Grenze verteidigen sollen, 
wenn sie angegriffen wird, sondern sich weit genug ausdehnen sollen, um 
zu verhindern, daß die Kriegsflut ihre Füße bespült, den Schutz unserer 
eigenen Besitzungen anvertrauen. Derartige Vorbereitungen werden hoffent- 
 
	        
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