Greßjbritannien. (Juli 6.) 271
6. Juli. (Programm des Ministeriums.) Oberhaus
Salisbury entwickelt das Programm der neuen Regierung:
Uber die auswärtige Politik sagt der Minister im wesentlichen fol-
gendes: „Ich halte es für angezeigt, mich über den Stand einiger wichtiger
Fragen zu äußern, welche die auswärtige Politik des Landes in beträcht-
lichem Grade berühren. Eine Frage von ernstester Wichtigkeit bilden die
Unterhandlungen, welche seit geraumer Zeit mit dem russischen Hofe betreffs
der Grenzen Afghanistans stattfinden. In Betreff dieser Angelegenheit
und anderer Fragen ist es nicht meine Aufgabe, mich über die Vergangen-
heit zu verbreiten. Wir fanden, was unsere Vorgänger hinterließen, und
es ist unsere Sache, die Politik aufzunehmen und zu einem mit dem Ge-
meinwohle vereinbaren Austrage zu bringen. Es ist jedoch nicht unsere
Sache, uns auf irgend eine Kontroverse betreffs dieser Politik einzulassen.
Die Aktion der jetzt am Ruder befindlichen Regierung unterliegt natürlich
wesentlichen Beschränkungen, die der Thatsache entspringen, daß wir zu einer
Zeit ins Amt getreten sind, wo gewisse Fragen sich einem Abschlusse näher-
ten. Die Folge davon ist, daß manche Zusagen gemacht worden sind, und
die erste Pflicht irgend einer Regierung ist es, darauf zu achten, daß die Zu-
sagen, welche eine englische Regierung gemacht hat, beobachtet werden. Diese
Rücksicht beherrschte alle anderen in der Prüfung der Unterhandlungen, deren
Erben wir sind, und diese Zusagen müssen materiell in bedeutendem Maße
unsere Aktionsfreiheit beschränken. Eine Illustration liefert die afghanische
Grenzfrage. Die Hauptdifferenz zwischen den zwei Regierungen betraf einen
gewissen Teil der Grenze, welche der Zulfikar-Paß genannt wird. Die
Wichtigkeit dieses Passes, mag sie bedeutend oder gering sein, liegt uns nicht
zur Erwägung vor, weil es sich nicht um die Wichtigkeit oder Nichtwichtig-
keit desselben für England und Asghanistan handelt, sondern um die That-
sache, daß England dem Emir von Asghanistan versprochen hatte, daß dieser
Paß in den Grenzen Afghanistans mit eingeschlossen werden würde, und von
diesem Versprechen abzuweichen, liegt nicht in unserer Macht. Es ist von
der äußersten Wichtigkeit, daß wir in Asien und anderen Ländern das Prinzip
herstellen, daß das Wort Englands, wenn es einmal gegeben worden, gehalten
werden muß. Freilich ist das dem Emir gegebene Versprechen erst erfolgt,
nachdem der russische Hof versprochen, daß der Zulfikar-Paß in dem Gebiete
des Emirs inbegriffen sein soll. Es entstanden sodann Differenzen über die
genaue Anwendung dieser Versprechungen, und diese Differenzen bilden jetzt
den Gegenstand von Unterhandlungen. Es ist vielleicht etwas zu früh, eine
Meinung über den schließlichen Ausgang derselben oder über den Modus, in
welchem jene Verhandlungen ihren Verlauf nehmen dürften, auszudrücken;
aber soweit ich Gelegenheit hatte, mir darüber ein Urteil zu bilden, wurden
die Unterhandlungen vom russischen Hofe, sowie sicherlich kauch unsererseits
mit einem ernsten Wunsche gepflogen, zu einer freundschaftlichen Lösung zu
elangen. Während ich ein solches Ergebnis erhoffe, bin ich gezwungen, zu
aa en, daß die Unterhandlungen nicht weit genug gediehen sind, um mich zu
befhigen. mich in irgend einer positiven Weise darüber auszusprechen. Ob-
wohl wir das Vertrauen und die Freundschaft des Emirs kultivieren und
hoffentlich erfolgreich kultivieren, dürfen wir nicht seiner Freundschaft, son-
dern geschickt entworfenen und energisch und rasch ausgeführten Vorberei-
tungen für die Verteidigung unserer eigenen Grenze auf allen Punkten, wo
sie shwach ist, und Bollwerken, welche nicht nur die Grenze verteidigen sollen,
wenn sie angegriffen wird, sondern sich weit genug ausdehnen sollen, um
zu verhindern, daß die Kriegsflut ihre Füße bespült, den Schutz unserer
eigenen Besitzungen anvertrauen. Derartige Vorbereitungen werden hoffent-