Erankreit. (April 7. -8.) 295
Deutschlands Vertreter seit 1874 ist Fürst Hohenlohe und in diesen 11 Jahren
kamen 3 französische Botschafter nach Berlin.
7. April. (Erklärung des Ministeriums.) Kammer:
bewilligt nach Verlesung der Programm-Erklärung des Ministeriums
Brisson die von der Regierung geforderten weiteren 150 Millionen
für Tonkin mit 373 gegen 92 Stimmen.
Die Erklärung lautet:
„Unter den Umständen, unter welchen der Präsident der Republik
uns zur Leitung der Geschäfte berufen hat, bitten wir, kein ausgedehntes
Programm von uns zu erwarten. Wir versuchten im nationalen Interesse,
unter Beiseitelassung jeder nebensächlichen Erwägung, ein Kabinet zu bilden;
wir versuchten, Männer zusammenzubringen, welche von möglichst gutem
Willen beseelt sind, um eine um so größere Unterstützung verschiedener Kräfte
für den Dienst Frankreichs und der Republik zu gewinnen. Von China
werden wir die Achtung unserer Rechte, sowohl der vertragsmäßigen, als
auch derjenigen, welche China selbst in der Konvention vom 11. Mai 1884
anerkannt hat, verlangen; wir werden glücklich sein, wenn Verhandlungen
genügen, um diesen Zweck zu erreichen, sind aber entschlossen, die Erreichung
dieses Zweckes auch mit den Waffen zu verfolgen; ebenso sind wir entschlossen,
den Charakter der Expedition nicht ohne Genehmigung des Parlaments zu
ändern. Im Gefühle für das, was wir unseren heroischen Land= und See-
truppen und ihren Führern schuldig sind, wird man uns leicht einig finden.
Unsere zweite Aufgabe wird sein, durch eine aufmerksame und unsichtige
Politik unsere allgemeine Lage inmitten der Europa beschäftigenden Fragen
zu sichern; dieselben werden uns nicht gleichgültig lassen, aber welche In-
teressen dabei auch ins Spiel kommen mögen, wir werden uns in unserer
Haltung stets von der Erwägung leiten lassen, ob ein direktes überwiegendes
nteresse Frankreichs dabei in Frage kommt. Im Innern wird die Her-
stellung der Einigkeit und Eintracht und, wenn der Ausdruck gestattet ist,
die freie natürliche Konzentrierung der republikanischen Kräfte der uns be-
herrschende Gedanke sein. In diesem Geiste werden wir an die Prüfung der
dringenden Gesetze und die Beratung des Budgets herantreten, welches wir
in der gegenwärtigen Legislaturperiode zu votieren haben werden. Bald
wird das Land selbst zum Worte gelangen. Wir werden eine Ehre darein
setzen, dafür zu sorgen, daß die Wahlen frei, loyal und aufrichtig vor sich
gehen. Je mehr diese Kundgebung des allgemeinen Stimmrechts eine spon-
tane und unabhängige ist, um so mehr wird die Republik gestärkt und um so
fester wird die Vereinigung aller Republikaner zusammengekittet. Wie wir
in Bezug auf die auswärtigen Angelegenheiten nur auf die Fahne Frank-
reichs blicken, so wollen wir im Innern nur der Souveränetät der Nation
dienen. Wir bitten alle Freunde der Demokratie, der erhabenen Regierungs-
form, der unser Leben gewidmet ist, uns bei dieser Aufgabe beizustehen.“
8. April. (Präsidentenwahl.) Kammer: wählt nach zwei-
maliger Stichwahl Floquet (von der radikalen Linken) mit 179
Stimmen zum Präfßidenten; 175 Stimmen fallen auf Fallieres
(Opportunist und Mitglied des gestürzten Kabinets).
Das Ministerium unterstützt die Wahl Floquets, da die Opportunisten
mit der Wahl Fallières eine Demostration gegen das neugebildete Ka-
binet beabsichtigen. In dem Budget-Ausschuß zhalen jedoch die Opportu-
nisten die Mehrheit und wählen drei Mitglieder des gestürzten Kabinets,