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sei, gründlicher Untersuchung bedürfe und nicht kurzer Hand entschieden
werden könne. Betreffend den Antrag auf Wählbarkeit der Geistlichen in
den Nationalrat ist der Bundesrat der Ansicht, daß keine genügende Veran-
lassung dafür bestehe, die Verfassung mit Bezug auf diesen Punkt einer Re-
vision zu unterwerfen. Die Anträge auf Ausdehnung der Haftpflicht anbe-
langend, so betrachtet der Bundesrat den Bund kraft der Bestimmungen der
Artikel 64 und 34 der Bundesverfassung als zur gesetzlichen Ausdehnung
derselben auf andere Gewerbe als die Fabriken vollständig kompetent; dagegen
müßte die Verfassung vielleicht einer Revision unterstellt werden, wenn die
Einführung einer allgemeinen obligatorischen Arbeiter-Unfallversicherung und
die Aufstellung von besonderen Bestimmungen zum Schutze der Kinder im
allgemeinen vor übermäßiger Arbeit sich als wünschenswert erzeigen sollten.
Betreffend den Antrag auf Einführung eines einheitlichen Versicherungs-
instituts für Brandschaden an Mobilien und Immobilien glaubt der Bun-
desrat, daß eine solche Aufgabe Sache der Kantone sei. Ebensowenig will
der Bundesrat von dem Antrage auf direkte legislatorische und materielle
Beteiligung des Bundes beim Auswanderungs= und Kolonialwesen etwas
wissen. Desgleichen weist er den Antrag auf Revision der Bestimmung des
Art. 49 von der Hand, laut welchem die religiöse Erziehung der Kinder bis
zum erfüllten 16. Altersjahre unter der väterlichen oder vormundschaftlichen
Gewalt steht. Des ferneren hält der Bundesrat den Antrag auf Herstellung
vollständiger Rechtseinheit in Civil= und Strafsachen vorderhand noch für
unzgulässig.
5. Juni. (Zollpolitik.) Der Ständerat lehnt einen An-
trag, welcher den Bundesrat auffordert, den Handelsvertrag mit
Deutschland baldmöglichst zu kündigen, mit 20 gegen 15 Stimmen ab.
7. Juni. (Aargau.) Der Verfassungsentwurf wird mit
19986 gegen 13747 Stimmen angenommen.
Die Annahme des Entwurfs im Verfassungsrate erfolgte am 24. April
mit 133 gegen 27 Stimmen.
Die Verfassungsrevision ist im wesentlichen das Resultat eines Kom-
promisses zwischen den Liberalen und Ultramontanen gegen die Radikal-
Demokraten. Auf Verlangen der Liberalen ist das Finanzreferendum dahin
modifiziert, daß dem Großen Rat die Befugnis eingeräumt wird, eine halbe
Staatssteuer von sich aus, ohne Anfrage an das Volk zu dekretieren. Da-
gegen haben die Ultramontanen die Abschaffung des Plazet und des Visum,
sowie die Einführung von gemischten Synoden durchgesetzt. Die Wahl der
Regierung erfolgt nach der neuen Verfassung durch den Großen Rat; da-
gegen sind die Beamten, welche von der Regierung ernannt werden, nicht in
den Großen Rat wählbar. Der Antrag der Radikal-Demokraten, die Wahl
der Regierung dem Volk zu übertragen, wurde im Verfassungsrat mit 82
gegen 79 Stimmen abgelehnt.
12. Juni. (Alkohol-Vorlage.) Der Ständerat nimmt die
Vorlage betr. die Besteuerung geistiger Getränke, welche eine Ver-
fassungsänderung involviert, mit 36 gegen 3 Stimmen an.
Mitte Juni. (Zollpolitik.) Der Bundesrat beantwortet
die seitens des Ständerats an ihn gerichtete Aufforderung, „unter
Beiziehung von Experten zu untersuchen, welche Vorkehrungen (wenn
nötig in Verbindung mit andern Staaten) getroffen werden könnten,