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der polnischen Sprache zum Nachteile der russischen allzu sehr begünstigte,
der direkten Korrespondenz mit dem Vatikan eine unerlaubte Ausdehnung
gab, und die Interessen des heiligen Stuhles im Gegensatz zu den Interessen
der Regierung mehr berücksichtigte, als es in den Intentionen der letzteren
liegen konnte. Der Bischof hat u. a. auch zwei regierungsfreundlichen Geistlichen
die Ausübung ihrer geistlichen Funktionen untersagt, und dieses Verbot, ohne
Angabe weiterer Gründe, in dem offiziellen Verzeichnis aufführen lassen, die
bestimmte Aufforderung des Ministers des Innern aber, die Pfarrer wieder
in ihre Pfarreien einzusetzen, umgangen. — Die Regierung fordert das Dom-
kapitel zur Wahl eines Koadjutors für die Dauer der Abwesenheit des
Bischofs auf. Das Kapitel weigert sich jedoch, die Wahl vorzunehmen, da
der Bischof bei seiner Abreise nach Petersburg für seine Vertretung bereits
Vorsorge getroffen hat, wie sich aus der folgenden Bekanntmachung des Kon-
sistoriums ergibt: „Se. Exzellenz der römisch-katholische Bischof von Wilna,
Karl Hryniewiecki, hat am 21. Januar dem Konsistorium angezeigt, daß er
für die Zeit seiner Abwesenheit oder für den Fall seiner Verschickung aus
der Wilnaer Diözese ein= für allemal im Sinne der kanonischen Gesetze seinem
Generalvikar, dem Domherrn Matthäus Herasymowicz, die Administration
der römisch-katholischen Diözese in Wilna mit der vollen bischöflichen Gewalt
überträgt, mit dem Bemerken, daß bis zum Tode des Bischofs oder etwa
bis zu dessen im Einvernehmen mit der römischen Kurie erfolgender Ver-
setzung, oder bis zur Ernennung eines rechtmäßigen Nachfolgers auf dem
bischöflichen Stuhle durch den Papst das Domkapitel nicht berechtigt ist, zur
Wahl eines Diözesan-Verwesers oder Vikars zu schreiten. Eine solche Wahl
würde ungültig sein und nur den Wählern ipso ktacto die Ausschließung
aus der Kirche zuziehen. Sollte jemand auf anderem Wege zum Verwalter
der Diözese ernannt werden, so darf er diese Berufung nicht annehmen, weil
ihn sonst ebenfalls die Strafe der Exkommunikation treffen würde. Ebenso-
wenig dürfen der Klerus und die Katholiken der Diözese unter Androhung
derselben Strafe eine derartige Nomination zum Vikar oder Diözesanverweser
anerkennen, oder sich an den Ernannten mit irgendeinem geistlichen Anliegen
wenden. Im Falle der Entsetzung oder des Ablebens des Domherrn Hera-
symowicz soll die Verwaltung der Diözese auf derselben Grundlage und mit
den nämlichen Rechten demjenigen zufallen, den der Kanonikus Herasymowicz
persönlich hiezu designieren wird. Hievon sind alle geistlichen Behörden, die
Dekane und die Diözgesanen in Kenntnis zu setzen."“
Der Domherr Herasymowicz wird darauf gleichfalls nach Petersburg
berufen und nachdem er von dem Fürsten Kantakuzen, dem Vorsitzenden des
Departements für fremde Kulte angeblich zur Verzichtleistung auf die Ad-
ministration aufgefordert ist, nach Koly deportiert.
Anfang April. Über die Stellung Rußlands zur Pariser
Deklaration von 1856 vgl. Deutsches Reich, Anf. April.
14. April. Zum Botschafter in Berlin wird an Stelle
des am 29. März in Fontainebleau verstorbenen Fürsten Orlow
der General Graf Paul Schuwaloff ernannt.
18. April. In Polen wird die russische Sprache zur
Unterrichtssprache in den Elementarschulen für alle Fächer mit Aus-
nahme des Religionsunterrichts erklärt.
19. April. Beginn der Methodiusfeier in Petersburg.
Im Gegensatz zu der Methodiusfeier in Wellehrad erhält das Peters-