372 Die Tũrkei und ihre Yasellenstaaten. (November 17.)
tragen hat. Ist es in der That notwendig, die verschiedenen von der Regie-
rung des Fürsten getroffenen Maßregeln aufzuzählen, welche beweisen, daß
es nicht im entferntesten in der Absicht der Regierung Sr. Hoheit lag, etwas
zu unternehmen, was als eine Handlung der Feindseligkeit oder des Angriffs
gegen Serbien angesehen werden konnte, oder gar zu einem brudermörderischen
Kriege überzugehen? Jedermann weiß, daß die bulgarischen Grenzen gegen
Serbien noch vor kaum einem Monat gänzlich von Truppen entblößt waren,
daß bulgarische Streitkräfte erst an dem Tage nach jenen Grenzen entsandt
worden sind, als es unumstößlich feststand, daß die serbische Regierung, in-
dem sie die Bestimmung ihrer in Aussicht eines Angriffes gegen die un-
mittelbaren Besetzungen des osmanischen Reiches auf Kriegsfuß gebrachten
Truppen änderte, plötzlich eine Abschwenkung machen ließ und ihr Heer gegen
die Grenze des Fürstentums zusammenzog. Unter diesen Umständen wendet
sich die Regierung Sr. Hoheit an die hohe Unparteilichkeit und das billige
Urteil der Regierung 2c. in betreff der Natur und Tragweite der von Serbien
an Bulgarien gemachten Kriegserklärung. Bei Europa steht es, zu entschei-
den, wer in diesem Augenblick den ersten kriegerischen Schritt gethan hat und
auf welcher Seite das gute Recht ist.
17. November. Der bulgarische Minister des Außern erläßt
folgendes Telegramm an die Pforte und folgendes Rundschreiben
an die Großmächte:
Telegramm an die Pforte: Die Eindringlinge, welche aus dem
Umstande, daß Bulgarien in seinem Vasallenzustande nicht das Recht hat,
seinen Nachbarn den Krieg zu erklären, und demnach aller offensiven Mittel
entblößt ist, Nutzen ziehen, sind fast vor den Thoren Sophias angelangt.
Der Fürst, welcher heute dem Feinde entgegenzog, hat mir den Befehl er-
teilt, mich bei Euer Exzellenz dahin zu verwenden, daß er auf seine an den
Sultan und den Großvezier gerichteten Depeschen eine Antwort erhalte. In-
dem ich das Vorstehende direkt Eurer Exzellenz übermittle, bitte ich dieselbe,
mich mit einer Antwort zu beehren, nachdem in Gemäßheit des Artikels 1
des Berliner Vertrages die fürstliche Regierung sich nicht in die Möglichkeit
versetzt sieht, direkt mit dem Feinde zu unterhandeln.
Rundschreiben an die Großmächte: Als die Regierung in der
festen Absicht und dem großmütigen Entschlusse, ein Blutvergießen in Ost-
Rumelien zu verhindern, die Sache des rumelischen Volkes in die Hand nahm,
verfuhren die Großmächte mit ihr sehr strenge, indem sie ihre Verfügungen
als einen Eingriff in die Souveränetätsrechte des Sultans und in die In-
tegrität des ottomanischen Reiches betrachteten. Sich der Entscheidung der
Großmächte unterwerfend, übernahm die fürstliche Regierung die feierliche
Verpflichtung, Ordnung und Ruhe in Rumelien herrschen zu machen und
eine Agitation zu verhindern, welche Gefahren in den benachbarten Ländern
hätte schaffen können.
Nachdem sie Blutvergießen verhindert, Frieden und Sicherheit unter
den Bevölkerungen des Fürstentums und Rumeliens, welche einen integrieren-
den Teil des ottomanischen Reiches bilden, aufrechterhalten und ihr dem
suzeränen Hofe und den Großmächten gegebenes Wort, die Gefahr zu be-
seitigen, eingelöst hat, sieht die fürstliche Regierung plötzlich eine Gefahr auf-
tauchen seitens eines unabhängigen Nachbarstaates, welcher in das Gebiet des
Fürstentums eingedrungen ist, ohne ihr vorher durch die Hohe Pforte, den
einzig kompetenten Weg in einer so ernsten Eventualität, in Gemäßheit des
VBölkerrechtes ein Ultimatum zu notifizieren, in welchem seine Beschwerden
und die Gründe für eine so weitgehende Entschließung dargelegt gewesen