Kebersicht der pelitischen Euntwickelung des Jahres 1885. 401
beiließ. So wurden die Existenzbedingungen dieses kühnsten und
anscheinend aussichtsvollsten deutschen Unternehmes sichergestellt.
Gefährlicher noch als die Konflikte mit den auswärtigen Die Ko-
Staaten und den Eingebornen waren die Klippen, welche die deutsche pannr
Kolonialpolitik im Reichstage zu umschiffen hatte. Den theore- im
tischen Erörterungen des Jahres 1884 und der Begeisterung über **
den endlichen Eintritt des deutschen Reichs in die Kolonialpolitik
mußten nun die praktischen Vorschläge über die Organisation der
Kolonien und die Geldbewilligungen folgen. Die Haltung der
Oppositionsparteien im Reichstage gegen Ende 1884, die Ablehnung
der 20000 Mark für den dritten Direktor im Auswärtigen Amt,
die Bescheidung der für die Errichtung neuer Konsulate gefor-
derten Summen ließen befürchten, daß die Mehrheit des Reichs-
tages auch die kolonialpolitischen Kredite unter den kleinlichsten
finanziellen Gesichtspunkten behandeln und so der ganzen auf-
strebenden Bewegung von vorn herein die Flügel beschneiden
würde. Indessen die Entrüstung im Volke über die Dezemberbe-
schlüsse des Reichstages, die Bewegung in den Wählerschaften, auch
der oppofitionellen Abgeordneten war so tiefgehend, daß die Mehr-
heit des Reichstages, nachdem sie während der Weihnachtsferien
des Parlaments Gelegenheit gehabt hatte, sich von der Stimmung
im Lande zu unterrichten, mit einer anderen Auffassung über ihre
Aufgaben den neuen Zielen des Reichskanzlers gegenüber zu den
Beratungen zurückkehrte. Dazu trafen unmittelbar vor der ersten
entscheidenden Sitzung die ersten Nachrichten über die Kämpfe mit
den Eingeborenen in Kamerun ein. Das erste Blut zur Ver-
teidigung der Kolonien war geflossen. Diesen Eindrücken, unter-
stützt durch eine Beredsamkeit des Reichslanzlers, wie wir fie seit
Jahren nicht erlebt haben, konnte sich auch die Opposition nicht
entziehen; mit überwältigenden Mehrheiten wurden die Kredite
für den Kamerundampfer und die nötigen Kolonialbeamten be-
willigt. Die Sitzungen vom 10. Januar und 2. März gehörten
zu den erfreulichsten Erscheinungen des Jahres 1885:fie zeigten,
daß es doch noch Ereignisse und Situationen gibt, welche mäch-
tiger sind als die Parteigegensätze. Sämtliche Parteien (mit Aus-
nahme der Polen und Sozialdemokraten) erklärten ihre Zustim-