82 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 1.- 4.)
anderen Seite in den Händen des Staates ruht, eine neue Potenz hinein-
geschoben wird: der Kreis, und zwar in einer Weise, die, wie aus dem
Gesetzentwurf hervorgeht, als eine organische nicht bezeichnet werden kann.
(Sehr richtig! links.) Nach diesen beiden Richtungen, meine Herren, über-
nehmen Sie und diejenigen, welche demnächst das Gesetz auszuführen haben,
eine hohe Verantwortung.“
Der Minister weist dann darauf hin, daß gerade die Schullasten die
drückendsten Gemeindelasten seien und daß andererseits die Kreise wenig
geneigt seien, hier einzugreifen, weil der Schuletat die einzige Stelle sei,
an welcher die Gemeinden auf einen Zuschuß von der Regierung hoffen
könnten. Er richtet schließlich an die Kreisvertretungen die dringende Mahnung,
bei der Verwendung der überwiesenen Gelder die Schulverbände genügend
zu berücksichtigen.
Auf den Vorwurf des Abg. von Rauchhaupt, daß die Erklärungen
der beiden Minister sich widersprechen und man nicht wisse, welcher von beiden
den Standpunkt der Regierung repräsentiere, erwiedert der Kultusminister,
er habe durchaus nicht gegen das Gesetz sprechen wollen, seine Ausführungen
hätten vielmehr die Annahme des Gesetzes im Hause und bei der Regierung
zur Voraussetzung.
1. Mai. (Zollvereins-Gesetz.) Reichstag: verweist den
Gesetzentwurf, betr. die Abänderung des Zollvereins-Vertrages vom
8. Juli 1867 an eine Kommission.
Das Gesetz bestimmt, daß die bisherige Vorschrift, wonach von allen
bei der Einfuhr mit mehr als 15 Groschen vom Zentner (3 Mark von
100 Kilogramm) belegten ausländischen Erzeugnissen keine weitere Abgabe
irgend einer Art, sei es für Rechnung des Staates oder für Rechnung von
Kommunen und Korporationen, erhoben werden darf, auf Mehl- und andere
Mühlenfabrikate, desgleichen auf Backwaren, Fleisch, Fleischwaren und Fett,
sowie ferner, insoweit es sich um die Besteuerung für Rechnung von Kom-
munen und Korporationen handelt, auf Bier und Branntwein keine An-
wendung mehr finden soll.
2. Mai. (Zolltarif.) Reichstag beendet die zweite Be-
ratung der Zolltarif-Novelle.
3. Mai. (Katholische Universität.) Die „Nordd. Allg.
Ztg.“ meldet, der Abg. Dr. Lingens habe sich nach Rom begeben,
um im Auftrage der HH. Melchers und Windthorst mit der Kurie
über die Überweisung der in Deutschland für Errichtung einer Uni-
versität in Fulda gesammelten Gelder an denjenigen Fonds, welcher
für die Begründung einer katholischen Universität in Salzburg be-
stimmt ist, zu verhandeln.
4.—6. Mai. (Börsensteuer.) Reichstag: nimmt unter
Ablehnung sämtlicher Amendements den Wedell'schen Börsensteuer-
Entwurf in der von der Kommission festgestellten Fassung in zweiter
Lesung und zwar den maßgebenden § 1 mit 177 gegen 74 (frei-
sinnige und nationalliberale) Stimmen an.
Die Kommission hat aus dem Wedell'schen Entwurf die prozentuale
Steuer, aus dem Öchelhäuser'schen den Schlußnotenzwang acceptiert. Es