84 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 5.)
wortet worden sei. Da die ägyptische Regierung, wie verlaute, die Entschei-
dung der Frage von der vorherigen Annahme der englischen Finanzvorschläge
seitens der beteiligten Mächte abhängig machen wolle, so folge daraus, daß
solche Entscheidung nicht vom Chedive, sondern thatsächlich von England
ausginge. Damit aber übernähme das letztere die Verantwortung für das
Verhalten des Vizekönigs. Es sei unter diesen Umständen für Deutschland
notwendig, die Entschließung zu kennen, welche die brittische Regierung be-
züglich der Schuldenkommission dem Chedive gestatten wolle, bevor es zu den
englischen Vorschlägen bezüglich Ägyptens Stellung nähme. Daran reiht
sich ein Erlaß von Fürst Bismarck an den Botschafter in St. Petersburg,
General v. Schweinitz, in welchem unter Hinweis auf die ausweichende Hal-
tung, die Ägypten dem deutschen Antrage auf Beteiligung Deutschlands und
Rußlands an der Schuldenkommission gegenüber eingenommen, der genannte
Vertreter beauftragt wird, dem Minister v. Giers vorzuschlagen, daß von
beiden Mächten in analoger Form an die übrigen Vertragsmächte Mittei-
lungen ergingen, in welchen das Verlangen, in der Schuldenkommission ver-
treten zu sein, mit analoger Begründung wie in Ägypten wiederholt wird.
In einem kurzen, an den deutschen Botschafter in Paris gerichteten Schrei-
ben des Unterstaatssekretärs Busch vom 29. Dezember 1884 wird dann der
Wunsch Deutschlands ausgedrückt, die Auffassung, welche die französische
Regierung betreffs der englischen auf Ägypten bezüglichen Vorschläge habe,
kennen zu lernen.
Es folgt das Rundschreiben des Reichskanzlers vom 6. Januar (s. o.).
Am 3. Februar empfiehlt der Reichskanzler die französischen Vorschläge vom
1. Februar den Regierungen von Österreich und Rußland zur Annahme.
Am 12. März erklärt der Reichskanzler mit dem zwischen Frankreich und
England vereinbarten Übereinkommen sich im allgemeinen einverstanden, macht
jedoch bezüglich des Artikel 26 des vorgeschlagenen Chedivialdekrets, welcher
bestimmt, „daß die Reformgerichte in der Klagesache, welche von den Kom-
missarien der Staatsschuldenkasse gegen die ägyptische Regierung und die be-
teiligten Beamten auf Rückzahlung der für die Amortisation bestimmten,
aber im September und Oktober 1884 an die Kasse des Finanzministers ab-
geführten Summen angebracht worden ist, kein Urteil fällen werden“, fol-
gende Vorbehalte:
„Wir glauben, daß entweder der Art. 26 des Chedivialdekrets in
Wegfall kommen oder daß bei der Unterzeichnung des Abkommens in einem
besonderen Protokoll erklärt werden sollte, daß der Verzicht auf die Fort-
führung des durch die Schuldenkommissarien angestrengten gerichtlichen Ver-
fahrens nicht zugleich einen Verzicht auf die Rückzahlung der der Amorti-
sation entfremdeten Summen involviere. Die Befestigung der gelockerten
Achtung vor den Verträgen und die Würde der unterzeichnenden Mächte er-
fordert, daß wenigstens die Frucht des Vertragsbruches nicht in den Händen
derer bleibe, die ihn begangen haben.“
Diesem Vorbehalt wurde durch Unterzeichnung einer entsprechenden
Erklärung entsprochen. Nach Mitteilung der Konvention vom 17. März
schließt das Weißbuch mit der Einladung der französischen Regierung zur
Beteiligung an der zum 30. März nach Paris einberufenen Suez-Konferenz
und der Mitteilung der Namen der deutschen Bevollmächtigten an die fran-
zösische Regierung.
Dem Reichstage wird das Weißbuch mit folgendem Schreiben des
Reichskanzlers übersandt: „Dem Reichstage beehrt sich der Unterzeichnete
beifolgende Sammlung von „Aktenstücken, betr. Ägypten“, mit dem ergeben-
sten Bemerken zu übersenden, daß die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen Über-