Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni. 25.—26.) 101 
Heldenmute ertrug, der die Tapferkeit, die er einst auf dem Schlachtfelde 
gezeigt hatte, weit in den Schatten stellte. Meine Herren! Im deutschen 
Volke brennt das Verlangen, dem Kaiser Friedrich über das Grab hinaus 
Dankbarkeit zu bezeigen, für das, was er zum Heile Deutschlands getan 
und gewollt hat. Das deutsche Volk wird ihm die Schuld der Dankbarkeit 
dadurch abtragen, daß es in unerschütterlicher Treue zu Kaiser Friedrichs 
erhabenem Sohne und Erben steht, unseres jetzt regierenden Kaisers Majestät. 
Die Worte, die allerhöchstderselbe an uns gerichtet hat, werden überall in 
Deutschland freudigen Widerhall finden. (Bravol) Die Herzen des deutschen 
Volkes schlagen ihm vertrauensvoll entgegen! (Bravol) Möge Gott ihm seinen 
Schutz und Segen verleihen! (Bravol) Lassen Sie unseren Gefühlen dadurch 
Ausdruck geben, daß wir den Ruf, den wir eben in feierlicher Stunde er- 
schallen ließen, nochmals wiederholen. Der deutsche Kaiser, König Wilhelm II. 
von Preußen lebe hoch, nochmals hoch und wieder hoch!“ (Die Mitglieder 
stimmen begeistert in den Ruf mit ein.) 
Die nächste Sitzung wurde zur Beschließung der Adresse an 
den Kaiser, mit deren Entwerfung das Haus das Präsidium auf 
dessen Antrag betraute, zum folgenden Tage anberaumt. 
25. Juni. (Graf Waldersee.) Die „Nordd. Allg. Ztg.“ 
erklärt die Nachricht einiger liberaler Blätter von Friktionen zwi- 
schen dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Waldersee für eine 
Erfindung und bemerkt: 
„Es ist unerfindlich, wie der Reichskanzler und der Chef des General- 
stabes, deren Departements die denkbar heterogensten sind, in geschäftliche 
Schwierigkeiten mit einander geraten sollten. Die bezüglichen Ressorts haben 
keinerlei konvergierende Tätigkeit zu entfalten. Ihnen fehlt die amtliche 
Verbindung und daher auch jede Möglichkeit zu Friktionen. Vollends absurd 
ist endlich die Idee, als ob unter Kaiser Wilhelm eine Camarilla bestehen 
könnte. Die Zeiten, wo für eine derartige ungesunde Erscheinung ein Feld 
gegeben war, sind vorbei.“ 
26. Juni. (Sitzung des Reichstages.) Der Präsident 
verliest den Adreß-Entwurf, welcher einstimmig angenommen wird 
und durch den Präsidenten überreicht werden soll. Darauf wird 
der Reichstag geschlossen. 
26. Juni. (Der englische Arzt Kaiser Friedrichs.) 
Bezugnehmend auf eine Äußerung Mackenzies zu einem Mitarbeiter 
des „Amsterdamer Dagblad“, er habe Krebsdiagnose nicht öffentlich 
zugestehen können, weil sonst die Regentschaft wahrscheinlich gewesen 
wäre, macht die „Nordd. Allg. Ztg.“ einen Angriff auf Mackenzie. 
Sie sagt, auffälligerweise habe fünf Tage vorher der polnische „Kuryer 
Warszawski“ eine ganz ähnliche Mitteilung gemacht; derselbe schrieb 
nämlich: Mackenzie habe nicht später als Schrötter und die anderen 
Ärzte die Krankheit als Krebs erkannt, aber er sei nicht nur Arzt, 
sondern auch Vertrauensmann des Kaisers und der Kaiserin ge- 
wesen, und es handelte sich darum, das Leiden des Kaisers nicht
	        
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