Bie Römische Kurie. (März 14.) 259
Interessen der arbeitenden Klasse gebührend sichergestellt werden, haben Wir
allen und jedem, die Regierungen einbegriffen, die Pflichten und besonderen
Obliegenheiten, welche sie haben, in das Gedächtnis zurückgerufen. Ohne
allen Zweifel wird das vereinigte Handeln der Regierungen mächtig zur
Erreichung des so sehr ersehnten Zieles beitragen. Eine Gleichartigkeit der
Anschauungen und der Gesetzgebungen, so weit sie wenigstens die verschie-
denen Verhältnisse der Oertlichkeiten und Länder gestatten, wird geeignet
sein, in hohem Grade die Frage einer gerechten Lösung entgegenzuführen.
So können Wir nur nachdrücklich alle Beratungen der Konferenz unter-
stützen, welche darauf abzielen werden, die Lage der Arbeiter zu heben; wie
z. B. eine den Kräften, dem Alter und dem Geschlecht besser angepaßte Ar-
beitszeit; die Sonntagsruhe und im allgemeinen alles, was geeignet ist, zu
verhindern, daß der Arbeiter wie ein niedriges Werkzeug (vil instrument)
ausgebeutet werde, ohne Rücksicht auf seine Menschenwürde, seine Moralität
und seinen häuslichen Herd.
Eurer Majestät ist es indeß nicht entgangen, daß die glückliche Lösung
einer so ernsten Frage neben der weisen Intervention der bürgerlichen Ge-
walt die mächtige Beihilfe der Religion und die wohlthätige Aktion der
Kirche erfordert. Die religiöse Gesinnung allein ist fähig, den Gesetzen ihre
volle Wirksamkeit zu sichern und das Evangelium allein ist das Gesetzbuch,
in welchem sich die Prinzipien der wahren Gerechtigkeit und die Grund-
sätze gegenseitiger Liebe verzeichnet finden, welche alle Menschen wie Kinder
desselben Vaters und wie Mitglieder derselben Familie vereinigen soll. Die
Religion wird somit auch dem Arbeitgeber lehren, in dem Arbeiter die
menschliche Würde zu achten und ihn mit Gerechtigkeit und Billigkeit zu
behandeln; sie wird in das Gewissen des Arbeiters das Gefühl der Pflicht
und der Treue pPflanzen und ihn moralisch, besonnen und ehrlich machen.
Weil die Gesellschaft die religiösen Prinzipien aus dem Auge verloren, ver-
nachlässigt und verkannt hat, sieht sie sich bis in ihre Fundamente erschüt-
tert; jene Prinzipien wieder in das Gedächtnis zurückzurufen und sie wieder
in Kraft zu setzen, ist das einzige Mittel, die Gesellschaft auf ihren Grund-
lagen wieder herzustellen und ihr den Frieden, die Ordnung und das Ge-
deihen zu sichern.
Die Aufgabe der Kirche nun ist es, in der ganzen Welt diese Grund-
sätze und diese Lehren zu predigen und zu verbreiten; ihr kommt es daher
zu, einen breiten und fruchtbaren Einfluß auf die Lösung des sozialen Pro-
blems zu üben. Diesen Einfluß haben Wir geübt und Wir üben in noch
und insbesondere zum Nutzen der arbeitenden Klassen. Die Bischöfe und
Seelenhirten ihrerseits, unterstützt von ihrem Klerus, werden ebenso in ihren
betreffenden Diözesen handeln, und Wir hoffen, daß diese heilsame Aktion
der Kirche, fern davon, sich durch die bürgerlichen Gewalten behindert zu
sehen, künftig bei ihnen Hilfe und Schutz finden wird. Dafür bürgt Uns
einerseits das Interesse, welches die Regierungen dieser ernsten Frage zu-
wenden und andrerseits der wohlwollende Appell, welchen Eure Majestät
soeben an Uns gerichtet hat. Inzwischen bekunden wir Unsern wärmsten
Wunsch, daß die Refultate der Konferenz fruchtbare und wohlthätige seien
und der allgemeinen Erwartung voll entsprechen mögen.
Bevor Wir dieses Schreiben schließen, wollen Wir hier noch der
Befriedigung Ausdruck geben, welche Wir empfanden, als Wir erfuhren,
daß Eure Majestät den Fürstbischof von Breslau, Msgr. Kopp, eingeladen
habe, als Ihr Bevollmächtigter an der Konferenz teilzunehmen; er wird sich
gewiß durch diesen Beweis hohen Vertrauens, welchen Eure Majestät ihm
bei dieser Gelegenheit gibt, nehr geehrt fühlen.
Mit der lebhaftesten Genugthuung drücken wir Eurer Majestät die
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