74 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 28.—30.)
die Einheit Italiens geschaffen haben, und auch wir sind in Trauer versetzt
worden. Ich bitte Sie, dem Reichskanzler das tiefe Mitgefühl, welches wir
unsererseits empfinden, aussprechen zu wollen. gez. Rudini.
28. April. Trauerfeier für den Feldmarschall Moltke,
morgens 11 Uhr im Generalstabsgebäude im Beisein des Kaisers,
der Kaiserin, der beiden ältesten Prinzen, des Königs von Sachsen,
des Großherzogs von Baden, des Großherzogs von Hessen, des
Prinzen Leopold von Bayern, des Prinz-Regenten von Braunschweig
mit seinen beiden Söhnen, des Erbprinzen von Meiningen, des
Prinzen Georg von Sachsen, der Frau Prinzessin Friedrich Karl,
des Prinzen Georg, des Fürsten zu Reuß j. L. u. a.
Zur Trauerfeier befohlen sind der Reichskanzler, die kom-
mandierenden Generäle, der Kommandant von Berlin, Graf Schlief-
fen, einige besonders ausgezeichnete Generäle, wie General v. Strub-
berg, die Botschafter und Militärbevollmächtigten, die Minister und
die Deputationen der fremden Armeen.
Fürst Bismarck hat keine Einladung erhalten. Nach der
Trauerfeier wird der Sarg von dem Kaiser und fast der gesamten
Trauerversammlung geleitet, nach dem Lehrter Bahnhof überführt,
den 29. April in Kreisau in Schlesien auf dem Familiengute des
Feldmarschalls beigesetzt.
29. April. (Abgeordnetenhaus.) Bei der Beratung über
die Zuschüsse für Fortbildungsschulen hält der Reichskanzler Caprivi
eine längere Rede über die Verwendung des Welfenfonds und
sagt zum Schlusse:
Die Regierung beabsichtige, einen Gesetzentwurf der Beschlußfassung
des Abgeordnetenhauses vorzulegen, welcher für die Dauer der Beschlagnahme
die erforderlichen näheren Bestimmungen über die Verwendung der Revenüen
dieses Vermögens und deren Kontrolle zu treffen bestimmt sei. Indem er
diese Versicherung gebe, glaube er gethan zu haben, was die Regierung thun
kann, um der über diese Sache in der öffentlichen Meinung entstandenen
Agitation und Beunruhigung entgegenzutreten.
In derselben Sitzung wird bei der Beratung über die Ein-
nahmen aus dem Berg-, Hütten= und Salinenwesen die Streik-
frage erörtert, wobei der Minister v. Berlepsch äußert:
Err habe es für seine Pflicht gehalten, in Verbindung mit dem
Minister des Innern, den Bergbeamten eine Intervention zu untersagen,
solange die Arbeiter kontraktbrüchig seien. Ob dieser Standpunkt aufrecht
zu erhalten sei, will er nicht unbedingt behaupten. Er werde namentlich
dann verlassen werden können, wenn nicht nur die Arbeiter, sondern auch
die Arbeitgeber die Vermittlung der königlichen Behörden anrufen.
30. April. (Geestemünde.) Bei der Reichstagsstichwahl
im 19. hannoverschen Wahlkreis (Neuhaus-Kehdingen) werden im