28 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.)
Turnus zu finden, in dem die Truppe sich von hier aus ergänzt. Wir
werden neben der Landtruppe, wie Sie durch den Herrn Berichterstatter ge-
hört haben, eine kleine Truppe haben müssen, die durch Schiffe den Verkehr
an der Küste vermittelt.
Wenn Sie mich nun fragen, wie eine geordnete Verwaltung geschaffen
werden und wie das gedacht werden soll, so kann ich Ihnen darüber keine
Antwort geben. Das läßt sich von hier absolut nicht übersehen. So viel
kann ich aber übersehen, daß die Verhältnisse im Norden der Küste andere
sind als im Süden, daß sie im Innern ganz andere sind als an der Küste.
Wenn wir nicht in den Fehler verfallen wollten, von hier aus Maßregeln
zu ergreifen, die, wenn die Posten sie nach Ost-Afrika bringen, unausführbar
sind oder an Ort und Stelle unter dem helleren Licht der tropischen Sonne
so klare Fehler zeigen, daß der Mann, der fie ausführen soll, sie nicht aus-
führen kann, so blieb uns nichts anderes übrig, als einen einzigen Mann
mit möglichst ausgedehnter Vollmacht und voller Verantwortlichkeit an Ort
und Stelle zu setzen.
Es ist der Wunsch ausgesprochen worden von jener Seite des Hauses,
wir möchten danach trachten, mit der Zeit das Reich zu entlasten. Ja,
ganz gewiß thun wir das, das thun wir schon jetzt; und wenn die ostafri-
kanische Kolonie so gedeiht, wie ich es hoffe und für wahrscheinlich halte,
dann glaube ich, daß das Reich in absehbarer Zeit in die Lage kommen
wird, diejenigen Kosten, die es heute noch selbst aufwenden muß, aus den
Einnahmen, sei es der Zölle, oder anderer Einnahmemittel, die sich uns er-
öffnen werden, sicher zu stellen. Ich stimme mit dem Herrn Abgeordneten
Grafen v. Mirbach darin ganz überein — ich glaube, er war es, der das
sagte —, daß es sehr schwer sein wird, den Handel von Sansibar nach der
Küste zu ziehen. Aber der Versuch muß gemacht werden. Warum sollen
wir unter fremder Flagge an einem dritten Orte handeln? Es kann das
— das ist ganz richtig — Jahrzehnte dauern, bis wir so weit sind, kein
Mensch kann das übersehen; aber ich möchte überhaupt vor dem Glauben
warnen, daß das, was wir nun in den Kolonien vorhaben, leicht gehen
wird. Das ist gerade ein Fehler im Anfange unserer Kolonisation gewesen,
daß auch die beteiligten Kreise sich die Sache viel leichter vorstellten und,
als es nun schwerer war, hie und da wohl zu ermatten geneigt waren.
Keine Illusionen! Das, was wir da treiben, wird Mühe und Arbeit noch
auf lange Zeit sein; aber ich bin der Meinung, wir haben keinen Grund,
davor zurückzuschrecken.
Die Kolonialregierung hat sich dafür entschieden, Dar-es-Salaam zur
Hauptstadt unserer ostafrikanischen Kolonien zu machen. Daß sie an der
Küste liegen muß, ist unter den gegebenen Verhältnissen klar. Die Sach-
verständigen und Ortskenner schwankten zwischen Bagamoyo, dem größeren
Handelsort, und Dar-es-Salaam, dem besseren Hafen. Daß Dar-es-Salaam
unser Kriegshafen — wenn ich diesen großklingenden Ausdruck gebrauchen
darf — für Ost-Afrika werden wird, ist zweifellos, und es wird sich —
denn dafür schienen uns die meisten Motive zu sprechen — empfehlen, den
Schwerpunkt unserer Regierung dahin zu verlegen. Inwieweit Plantagen-
bau, Bergbau möglich sein wird, das wird zum guten Teil auch von der
Frage abhängen, wie weit es uns gelingt, die Bevölkerung an Arbeit zu
gewöhnen. Ich stehe vollkommen auf dem Standpunkte derjenigen, die sich
dafür begeistern, den Sklavenhandel abzuschaffen und zu unterdrücken; man
kann aber auf der anderen Seite nicht leugnen: Für unser Kolonialunter-
nehmen war es vielleicht nicht günstig, daß die Unterdrückung des Sklaven-
handels mit dem Beginne des Plantagenbaues a tempo kam, denn bisher
ist der Plantagenbau, wenigstens wo er tief in der Kindheit lag, immer