Das Dentshhe Reich und seine einzelnen Glieder. (November 23.) 183
gerade aufzehrt. Ja, wer ist denn der Moloch! Weshalb werden denn
diese Ausgaben gemacht, weshalb werden Millionen verschlungen? Doch
nur, um jeden einzelnen Deutschen in seiner Existenz zu sichern. Jeder,
auch der ärmste, kann noch geschröpft werden, und auch der ärmste würde
von einem siegreichen Feinde zu Diensten herangezogen werden können, die
ihm nicht angenehm sind; ich glaube, daß jeder Deutsche ein Interesse daran
hat, eine Niederlage von Deutschland fern zu halten. Auch die Herren, die
in Bezug auf das Verlassen bisheriger Gewohnheiten und Einrichtungen in
der Armee Bedenken haben, möchte ich doch darauf aufmerksam machen,
daß, wenn wir eine Niederlage erleiden, dann auch wahrscheinlich von zwei-
jähriger Dienstzeit nicht mehr die Rede sein wird, sondern daß wir dann
krümpern müssen, wie unsere Väter von 1813. Es würden sich die Folgen
einer Niederlage auf alle Gebiete unseres Lebens ausdehnen. Unser Handel
und Wandel ist national geworden und hat nationalen Aufschwung ge-
nommen. Woöchentlich, fast täglich kommen Gesuche und Wünsche von
Deutschen aus dem Auslande, die hier und da geschützt sein wollen, die
Ansprüche machen. Ja, wir müssen uns doch darüber klar sein, daß, wenn
wir eine Niederlage im nächsten Kriege erleiden, von dem Schutze unseres
überseeischen Handels und unseres Exports, wenn wir dann überhaupt noch
in der Lage sein sollten, zu exportieren, gar keine Rede sein würde. Wir
müssen auch darüber klar sein, daß wir zu national geworden sind, um
auch heutzutage noch, wenn wir eine Niederlage erlitten, von deutscher
Kunst, von deutscher Wissenschaft viel erwarten zu können; die Zeiten sind
vorüber, wo, während die Kanonen bei Jena und Auerstädt donnerten,
deutsche Gelehrte und Dichter zu Hause sitzen konnten und ruhig weiter
arbeiten, wie wenn nichts geschehen wäre. Uns würde das Herz brechen,
wenn wir das erlebten, und ich behaupte: deutsche Wissenschaft und deutsche
Kunst geht ihrem Verfall entgegen, wenn wir geschlagen werden. Das
muß fern von uns gehalten werden. Wir müssen uns klar darüber werden,
daß wir einen Kampf ums Dasein zu führen haben — einen Kampf ums
Dasein, politisch, materiell und kulturell. Wir müssen uns klar darüber
werden, daß es unsere Pflicht ist, alles zu thun, was wir zu thun im stande
sind, diesen Kampf zu bestehen.
Unsere Pflicht zuerst gegen Gott. Jede Nation hat in der Kultur
der Welt ihre Stelle einzunehmen. Der Ausfall der Deutschen würde durch
keine andere Nation eiebt werden können. Staaten haben nicht, wie Menschen,
die Pflicht, sich in Nächstenliebe für andere zu opfern; ihre nächste Pflicht
ist, sich zu erhalten. (Bravol rechts.)
Nur wenn ein Staat sich erhält, kann er noch das Werkzeug Gottes
bleiben. (Bravol rechts.)
Wir haben weiter die Pflicht, Deutschland zu erhalten, im Andenken
an die Männer und an die Generation, die Deutschland geschaffen hat
(Bravo! rechts), nicht am wenigsten an die vielen Tausende, die für die
Schaffung Deutschlands geblutet haben! (Bravol rechts.)
Soll man dermaleinst sagen können: jene haben ihr Blut für Deutsch-
land gegeben, und diese hier wollen nicht ihr Geld geben! (Sehr gut!
rechts, Widerspruch links.)
Bitte, hören Sie mich erst aus! — Wir haben die Pflicht, Deutsch-
land zu erhalten auch für die kommende Generation; wir müssen der kom-
menden Generation das Werkzeug zurechtstellen, mit dem sie das, was sie
ererbt hat, noch einmal wird gewinnen können und gewinnen müssen, um
es zu besitzen; wir würden bittere und berechtigte Vorwürfe des kommenden
Geschlechts auf uns laden, wenn wir etwas versäumten, was im stande
wäre, das Glück zu erhalten, das wir zum ersten Male empfunden