Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 12.—16.) 97 
12. März. Die Kaiserin reist mit ihren Kindern nach 
Abbazia. 
13. März. Reichstagsersatzwahl in Moseritz-Bomst. 
Bei der im Wahlkreise Meseritz-Bomst stattgehabten Reichstags- 
ersatzwahl (infolge des Rücktritts des Abg. v. Unruhe-Bomst) wurden 
im ganzen 16,920 Stimmen abgegeben. Hiervon erhielt Propst Szymanski 
(Pole) 7812 Stimmen, v. Dziembowski (deutsche Reichspartei) 5347 Stim- 
men, v. Mosch (Antisemit) 3520 Stimmen, Stolpe (Sozialdemokrat) 197 
Stimmen, Hofbesitzer Dau (freisinnige Volkspartei) 33 Stimmen. Es hat 
somit eine Stichwahl zwischen Szymanski und v. Dziembowski stattzu- 
finden. Bei der Stichwahl erhalten Dziembowski 9200 und Szymanski 8703 
Stimmen (31. März). 
14. März. Der Reichstag bewilligt 1,100,000.4 als erste 
Rate zur Errichtung eines Denkmals für Kaiser Wilhelm I., dessen 
Gesamtkosten auf 4 Millionen festgesetzt werden. Dagegen stimmen 
die Sozialdemokraten, die freisinnige und süddeutsche Volkspartei. 
14. März. (Elsaß-Lothringen.) Der Landesausschuß nimmt 
den nächstjährigen Etat an, der mit 56.752,000 balanziert. 
15. März. (Preußen.) Synodalordnung. 
Das Preuß. Herrenhaus genehmigt in erster Beratung die Novelle 
zur evangelischen Kirchenverfassung und Synodalordnung, welche eine größere 
Selbständigkeit der Kirche dem Staate gegenüber, insbesondere Befreiung 
der Kirche von dem Einflusse des Landtags anstrebt. Die wichtigste Be- 
stimmung lautet: 
Artikel 13 Absatz 2 des Gesetzes vom 3. Juni 1876 erhält nach- 
stehende Fassung: 
Bevor ein von einer Provinzialsynode oder von der Generalsynode 
beschlossenes Gesetz dem Könige zur Sanktion vorgelegt wird, ist die Er- 
klärung des Staatsministeriums darüber herbeizuführen, ob gegen den Erlaß 
desselben von Staatswegen etwas zu erinnern sei. 
16. März. (Sachsen.) Schluß des Landtags. 
16. März. (Reichstag.) Dritte Beratung des russischen 
Handelsvertrags. 
Abg. Frhr. v. Manteuffel (D. R.) gegen die Vorlage: Ich habe 
für den österreichischen Vertrag gestimmt wegen der damaligen exorbitant 
hohen Preisbildung und weil die politische Konstellation seitens der Regie- 
rung in den Vordergrund gerückt wurde. Jetzt liegen die Verhältnisse 
anders; der mitteleuropäische Zollverband hat sich auch verflüchtigt, denn 
man umschlingt ja jetzt ganz Europa und Asien noch dazu; wenn China 
nicht eine Mauer hälte, würde man vielleicht noch weiter gehen. (Zuruf: 
Das kommt noch!) Ich habe es offen ausgesprochen, daß ich damals einen 
Fehler gemacht habe, ich bin jetzt ein Gegner der Handelsverträge und werde 
es bleiben. Es ist uns vorgeworfen, daß unsere Haltung sich nur aus 
persönlichen Rücksichten erklärt. Persönliche Rücksichten sind nicht maßgebend, 
sondern nur sachliche. Weiterhin erklärt der Redner, die Sozialdemokratie 
würde den Vorteil von den Handelsverträgen haben, da der Bauernstand und 
die kleinen Gewerbetreibenden durch die Verträge geschädigt würden. Die 
Aushebung der Staffeltarife paralysiere die günstigen Folgen der Aufhebung 
des Identitätsnachweises für den Osten. 
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXV. 7
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.