Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 9.—13.) 103
9. April. (Reichstag.)
Der Handelsvertrag mit Uruguay wird in zweiter Lesung ge-
nehmigt, ebenso das Abkommen mit der Schweiz betreffend den gegen-
seitigen Patent-, Marken- und Musterschutz. — Nach der Annahme der
Novelle zum Gesetz über Abwehr und Unterdrückung von Vieh-
seuchen mit einigen von der Kommission beantragten Aenderungen fordert
das Haus in einer Resolution gegen die Stimmen der Linken die Regierung
auf, die Kontrollmaßregeln bei Einfuhr fremden Viehes zu verschärfen.
9./10. April. Deutscher Innungs- und Handwerker-
tag in Berlin.
Die Versammlung spricht sich u. a. für den Befähigungsnachweis
aus und beschließt die Sitzungsprotokolle dem Kaiser, den Bundesfürsten
und den freien Städten vorzulegen.
11. April. (Abgeordnetenhaus.) Etat.
Das Haus genehmigt in 2. Lesung den Etat und den Eisenbahn-
nachtragsetat. Der Etat balanziert nunmehr mit rund 1,936,000 000 M,
wobei der Anleihebedarf auf 56 1/2 Mill. Mark herabgesetzt worden ist. (Vgl.
18. Jan.
12. April. Abreise des Kaisers von Abbazia.
12. April. (Reichstag.)
In dritter Lesung wird der Handelsvertrag mit Uruguay debatte-
los angenommen, ebenso das Patent-, Muster- und Markenschutzabkommen
mit der Schweiz.
12./13. April. (Abgeordnetenhaus.) Erste Beratung der
Abänderung der evangelischen Kirchen- und Synodalordnung
für die älteren Provinzen.
Abg. Eneccerus gegen die Vorlage: Ganz besonders bedenklich
seien Befugnisse der Synode, Mitglieder der Kirchengemeinde vom Wahl-
recht auszuschließen, ohne daß es einer staatlichen Genehmigung bedürfe.
Die Besorgnisse gegen die Vorlage seien um so gerechtfertigter, als die neue
Agende in einzelnen Fällen die Stellung zum Apostolikum zur Voraussetzung
für kirchliche Aemter und Stellungen mache. Man werde die Synodalord-
nung zur Unterdrückung anderer Meinungen benutzen, und das stehe nicht
im Einklang mit dem Geiste der evangelischen Kirche. Die freie individuelle
Ueberzeugung sei das große Werk der Reformation, das seine Freunde sich
nicht einschränken lassen wollen.
Kultusminister Dr. Bosse: Die Vorlage sei eine Vorwärtsentwicke-
lung in der Richtung eines friedlichen und würdigen Verhältnisses zwischen
Staat und Kirche. Das rechte Verhältnis zwischen Staat und Kirche zu
finden und dieses Verhältnis, selbstverständlich unter voller Aufrechthaltung
der Staatshoheit, friedlich und gedeihlich zu erhalten und sicher zu stellen,
erachte er als eine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben. Mit dem
bloßen Gehenlassen sei hier nichts gethan. Eine unzeitige Unterlassung auf
diesem Gebiet werde die Schwierigkeiten in Zukunft mehren und werde sich
dann bitter rächen. Die Kirche könne und dürfe sich dem Einflusse des
Staats nicht entziehen, aber auch der Staat bedürfe der Kirche und werde
ihrer in den uns bevorstehenden Kämpfen noch mehr bedürfen. Die Aus-
führung des Abg. Stöcker gelegentlich der vorjährigen Etatsberatung hätten
in dem Staatsministerinm den Gedanken zur Schaffung des vorliegenden