Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.) 9
verständigen Dr. Diffens betrug das Verwendungsverhältnis vor 1879:
1/3 inländischer und 2/3 ausländischer Tabak, und hat sich nach 1879 zu
Gunsten des ersteren so verschoben, daß ½ inländischer und ½ ausländi-
scher Tabak verbraucht wird. Das Gesetz von 1879 ist also an dem Rück-
gang des Konsums des inländischen Tabaks nicht schuld. Der zur Zigarren-
fabrikation bereitete inländische Tabak hat immer willige Abnehmer und
gute Preise gefunden; nur für Pfeifentabak ist das Angebot immer größer
gewesen als die Nachfrage, weil einfach der Pfeifengenuß überhaupt dem
der Zigarre weicht. Ein erhöhter Zollschutz wird nötig sein für das Schneid-
gut, und den gewährt der Gesetzentwurf. Der jetzige Zollschutz erhöht sich
dadurch, daß die Fabrikatsteuer auch von dem Zoll erhoben wird, der auf
dem Auslandstabak ruht. Auch aus der Anbaufläche ergibt sich, daß der
inländische Tabaksbau nicht zurückgegangen ist. Vor der Steuererhöhung
von 1879 wurden in Deutschland jährlich 20,280 Hektar mit Tabak be-
baut, und in der Periode 1882—91 jährlich 32,.000 Hektar. Ein erheb-
licher Rückgang ist allerdings 1892 93 eingetreten. Solche Schwankungen
sind aber auch früher vorgekommen z. B. die Anbaufläche 1878/79 geringer
als 1881/82. Auf den Umfang des Tabaksbaues wirkt wesentlich der Brutto-
ertrag pro Hektar ein. Sind die Erträge hoch, so steigt sofort die Anbau-
fläche; fallen sie, so geht der Anbau zurück. Auch in Bezug auf die Preise
können die Tabakspflanzer keine Schädigung durch das Gesetz von 1879
nachweisen. Der Durchschnittserlös betrug 1873 bis 1878 pro Tonne
415,5 M., 1881—1892 407,5. M. Vielleicht ist das Schneidgut etwas zu-
rückgegangen, aber nicht so erheblich, wie von Interessenten behauptet wird.
Die Agitation hat den Tabakspflanzern sogar einzureden versucht, daß sie
in Zukunft das Dreifache an Steuern zu zahlen hätten, während der aus-
ländische Tabak nur das Doppelte trüge. Diese Berechnung der „Süd-
deutschen Tabaks-Zeitung“ beruht auf ganz falschen Grundlagen. Die
Tabakspflanzer werden vielmehr die Inlandssteuer los, werden von der
lästigen Feldkontrolle befreit und erhalten einen höheren Zollschutz und die
Aussicht auf größeren Konsum des inländischen Tabaks; sie haben also
allen Grund, mit dem Gesetz zufrieden zu sein, und sie handeln gegen ihr
eigenes Interesse, wenn sie nicht mit allen Mitteln das Gelingen des Ge-
setzes unterstützen. Der hauptsächlichste Einwand gegen das Gesetz bezieht
sich auf den ungeheuren Konsumrückgang. Die Agitation war sich selbst
sehr bald klar, sobald das Kontrollsystem und das Steuererhebungssystem
des Gesetzes bekannt wurde, daß dagegen nicht viel zu machen war; deshalb
behauptet man, es entständen ein großer Konsumrückgang, große Arbeiter-
entlassungen und daraus sehr ernste soziale Folgen. Man behauptet, auch
durch das Gesetz von 1879 sei ein ungeheurer Konsumrückgang entstanden.
Das ist absolut falsch und absolut unerwiesen. (Zustimmung rechts.) Zu-
nächst gibt es in Deutschland gar keine Verbrauchsstatistik. Die den Rück-
gang behaupten, sollten doch die Unterlagen vorlegen. Wir haben nur eine
Statistik über die Zufuhr an Rohmaterial vom Auslande und vor 1879
eine sehr schwankende Statistik über den Ertrag an inländischem Tabak.
Die Steuer vor 1879 wurde als Flächensteuer erhoben und zur Ermitte-
lung des Ertrages wurde jeder Tabaksbauer gefragt: Wie viel gedenkst Du
zu ernten? Von den Gemeindebehörden wurden danach Zusammenstellungen
gemacht und an die weiteren Behörden weitergegeben. Ich habe zwölf
Jahre lang Erntestatistik gemacht und weiß, was solche Statistiken wert
sind und wie sie entstehen. Die kolossalen Fehler der schematischen Zu-
sammenstellungen verzehnfachen sich, bis sie zur Reichsinstanz kommen. Auf
solcher schwankenden unsicheren Basis behauptet man den Konsumrückgang
und die kolossalen Arbeiterentlassungen. 1878/79 betrug der Konsum